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Die verlorene Ehre des Beinahe-Ministers Ott

Vorpommern / Lesedauer: 5 min

Warum musste Mecklenburg-Vorpommerns Fast-Justizminister Sascha Ott seinen Hut nehmen, ehe er ihn überhaupt richtig aufgesetzt hatte? Die offizielle Begründung für seine Doch-nicht-Nominierung ist so absurd, dass längst andere Theorien sprießen.
Veröffentlicht:27.10.2016, 05:55

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Egbert Liskow mag ein einflussreicher Strippenzieher in der CDU sein, ein ausgemachter Medienprofi war er aber noch nie, Kameras machen ihn nervös. Als er am Samstag beim CDU-Landesparteitag dann zum Fernsehinterview gebeten wird, wirkt Vorpommern-Greifswalds CDU-Kreisvorsitzender regelrecht verstört. Wie, so fragt er rhetorisch, solle man diese Entscheidung denn den Kindern des Betroffenen erklären? Gemeint war die Entscheidung, Liskows Greifswalder Parteifreund Sascha Ott doch nicht zum Justizminister zu machen.

Aufstieg und Fall des Sascha Ott

Mancher Beobachter ätzte anschließend, Liskow sei völlig überfordert gewesen, als er da in die Kamera stammelte. Dabei hat Liskow im Kern völlig recht. Aufstieg und Fall des Sascha Ott sind ein rätselhaftes Kapitel in der Geschichte des CDU-Landesverbands. Schwierig, das irgendjemandem zu erklären.

In letzter Sekunde hatte die Landespartei dem Staatsanwalt mitgeteilt, dass er nun doch nicht Justizminister wird. Ott habe sich durch seine Aktivitäten auf Facebook angreifbar gemacht. Dort hatte er mehrere Beiträge von AfD-Seiten mit einem „Gefällt mir” versehen.

Facebook-Aktivitäten nur die Spitze des Eisbergs?

Den Ministerposten verloren wegen einiger ungenehmer Klicks im Internet? Das ist so absurd, dass längst andere Theorien sprießen. Die Facebook-Aktivitäten seien vielleicht nur die Spitze des Eisbergs. Ott habe möglicherweise auch an anderen Stellen eine Nähe zu AfD-Positionen erkennen lassen – dafür gibt es allerdings nicht einen Beweis.

Oder lag seine Demontage daran, dass die Kanzlerin selbst nicht glücklich damit war, dass ihr Heimatverband keine einzige Frau in eine Spitzenposition heben wollte? Oder war Ott am Ende ein Bauernopfer, um mit der Ersatzkandidatin die Delegierten aus der Stadt und dem Kreis Rostock zu besänftigen? Schließlich stand die Zustimmung zum Koalitionsvertrag auf der Kippe. Und damit auch zahlreiche Posten für die CDU-Oberen um Innenminister Lorenz Caffier. Auch für diese Thesen gibt es keine Beweise, höchstens Indizien.

Von Parteifreunden demontiert, beschädigt und vorgeführt

Die Wahrheit wird man also möglicherweise erst erfahren, wenn parteiintern Gras über die Sache gewachsen ist. Doch die CDU hat sich mit ihrem Vorgehen massiv beschädigt. Besonders gilt das – mal wieder – für Vorpommern, wo der gescheiterte Ministerkandidat lebt und arbeitet. Egal ob es aus Kalkül oder wegen seiner Facebook-Aktivitäten geschehen ist: Sascha Ott wurde von den eigenen Parteifreunden demontiert, beschädigt und vorgeführt. Egbert Liskow und einige weitere mögen mit Rücktritt gedroht haben für den Fall von Otts Absetzung. Aber sie sind dann doch nicht zurückgetreten.

Der einzige, der in dieser Affäre Haltung beweis, war Sascha Ott. Der Staatsanwalt gehört als urkonservativer Mensch zu jenem Personenkreis, der der CDU seit einigen Jahren in Scharen den Rücken kehrt. Ott allerdings tat das nicht. Er blieb. Hätte die CDU im Land tatsächlich wieder Heimat für die Konservativen werden wollen, Ott wäre möglicherweise ein Aushängeschild gewesen. Seht her, auch Kritiker der Bundes-CDU können hier etwas werden.

Weichgespülter Neuanfang

Doch nun stellt die Partei schon ihre eigenen Leute in die rechte Ecke. Die Kanzlerin sagte: „Wir wollen einen Neuanfang, der uns nicht gleich vor äußerste Zerreißproben stellt.” Dieser weichgespülte Neuanfang sieht nun so aus: Ein Koalitionsvertrag, mit dem sich selbst die Parteiführung nicht so recht zufrieden zeigt. Eine beinahe unveränderte Führungsriege. Und ein heftiger Streit zwischen der Landes-CDU und dem Kreisverband Vorpommern-Greifswald.

Beim CDU-Landesvorstand spricht man von einem unsachgemäßen Umgang mit sozialen Medien, den Ott geübt habe. Und so ganz auf Linie der Parteiführung lagen seine Interessensbekundungen tatsächlich nicht. AfD, die rechte Zeitung „Junge Freiheit”, der Verein „Linkstrend stoppen” – keine Referenzen für die neue Merkel-CDU. Doch das alles dürfte die Landes-CDU eigentlich nicht überrascht haben.

Einer, der aneckt

Sascha Ott machte nie einen Hehl aus seinem konservativen Weltbild. Einer, der aneckt, auch mit seiner politischen Haltung. Aber auch einer, der loyal ist – was ihm ebenfalls schon zum Vorwurf gemacht wurde. Als er noch zu Zeiten als Anklamer Amtsgerichtsdirektor im Zuge der Justizreform konsequent dessen Herabstufung organisierte, wurde ihm das von Anklams Bürgermeister Galander als Schwäche ausgelegt.

Positiv könnte man es allerdings auch so auslegen, dass Ott auch unbequeme Dinge durchzieht. Ein Mann mit eigenem Standpunkt. In der Landes-CDU sieht man aber genau das offenbar als Makel.

Das ist dilettantisch

Schon darüber ließe sich diskutieren. Doch noch bedenklicher ist, dass der Parteivorstand Ott erst mit Weihen bedachte und ihn dann innerhalb einer Woche wieder fallen ließ – weil Ott Dinge getan hatte, die niemanden aus seinem Umfeld überrascht haben dürften. Das heißt allerdings auch: Man hat jemanden für ein hohes Amt nominiert, den man offenbar nicht ansatzweise kannte. Das ist dilettantisch. Und so ist der Vorfall vor allem eine Blamage für den Landesvorstand um Lorenz Caffier.

Sascha Ott quittierte die Affäre um seine Position mit der Feststellung: „Ich muss mich fragen, ob wir nicht alle wahnsinnig geworden sind.” Und wo die Affäre begann, finden sich auf diese Fragen schon zahlreiche Antworten: auf Facebook.

Zwischen Spott und Wut bewegen sich zahlreiche Kommentare dort. Parallelen werden auch zum Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gezogen. Der stand vor der MV-Wahl in der Kritik, weil er sich positiv über ein Konzert gegen Rechtsextremismus in Anklam geäußert hatte, organisiert von einer linksextremen Band, die vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Maas blieb im Amt.