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Schule "Am Park"

"Hier bei uns ist doch alles echt"

Behrenhoff / Lesedauer: 4 min

Eine Episode, die Edeltraut Schmid gern erzählt.
Veröffentlicht:03.05.2010, 00:00

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Die Schulleiterin geht mit einem großen Schüler über den Pausenhof, die jüngeren auf dem Spielplatz rufen nach ihr, winken ihr zu. Der Große sagt: "Die Kleinen mögen Sie aber." "Nur die Kleinen?", fragt sie. "Ich natürlich auch", antwortet der große, kräftige Junge und nimmt die zierliche Lehrerin vor aller Augen in den Arm. Solche Erlebnisse sind es, die Edeltraut Schmid und ihre Kollegen manche Sorge vergessen lassen und manche Last tragen helfen.Viele ihrer Schüler sind erziehungsschwierig - ein Wort, das Edeltraut Schmid nicht besonders gern hört. "Ich sehe die Kinder eher als anspruchsvoll oder mobil", sagt die Leiterin der Schule "Am Park" in Behrenhoff (Ostvorpommern).

Aber dass die Arbeit mit ihnen wirklich nicht einfach ist, erlebt sie jeden Tag. Bis vor zwölf Jahren war die Schule in dem kleinen Ort eine "ganz normale" Förderschule für Lernbehinderte. "Wir haben damals festgestellt, dass es in fast jeder Klasse, an fast jeder Schule ein bis zwei auffällige Kinder gab. Dann hieß es immer: Die müssen raus", erinnert sie sich. Aber was bedeutet raus? "Wir wollten das so einfach nicht hinnehmen", erinnert sie sich. Mit einer Kollegin zusammen hat sie damals zunächst ein Dutzend Schüler aus den Klassenstufen 1 bis 7 herausgelöst und jahrgangsübergreifend unterrichtet.

Dabei haben die Lehrerinnen schnell festgestellt, dass in den schwierigen Mädchen und Jungen, die unter Störungen ihrer Persönlichkeitsentwicklung leiden, von seelischen Behinderungen bedroht oder betroffen sind und deshalb Probleme beim Lernen haben, oft aber viel Potenzial steckt. Sie können die Berufsreife (Hauptschulabschluss), die Berufsreife mit Leistungsfeststellung (erweiterter Hauptschulabschluss) oder die Mittlere Reife (Realschulabschluss) erlangen. Heute gibt es an der Behrenhoffer Schule Klassen, in denen Kinder mit Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung jahrgangs- und teilweise schulartübergreifend auf die Abschlüsse vorbereitet werden. Die er-ziehungsschwierigen Schüler machen einen Großteil der fast 150 hier unterrichteten Mädchen und Jungen aus. Sie kommen vor allem aus der Region zwischen Neubrandenburg, Stavenhagen, Stralsund, Usedom und Anklam.

Viele leben in Kinder- und Jugendwohngruppen oder Heimen. "Wir sind eine der wenigen staatlichen Schulen mit Warteliste", berichtet die Schulleiterin. Der Unterricht sei stark schülerorientiert. "Wir verknüpfen die Vermittlung von Unterrichtsinhalten mit dem Erwerb sozialer Kompetenzen", heißt es im Schulprogramm. "Wir nehmen die Kinder vorbehaltlos an und nehmen sie wahnsinnig ernst", übersetzt Edeltraut Schmid das. Das sei hart, und manchmal stießen die Lehrer dabei auch an Grenzen. "Wir müssen oft aufpassen, dass wir daran nicht selbst kaputtgehen."

Viele der Schüler hätten Missbrauch und Gewalt erlebt, seien traumatisiert. "Das müssen wir mit aushalten, die Kinder aufschließen, auffangen und im wahrsten Sinne festhalten, liebevoll konsequent sein, auch Grenzen aufzeigen", versucht sie, die tägliche Arbeit zu beschreiben. Zurzeit könne das an normalen Schulen nicht geleistet werden, deshalb finde sie pauschale Pläne zur Auflösung von Förderschulen fatal. "Wir grenzen niemanden aus, machen also Inklusion im wahrsten Sinne", sagt sie. "Und mit mehr Unterstützung könnten wir noch mehr leisten." Aber die Behrenhoffer fühlen sich oft allein gelassen und nicht selten sogar angefeindet: Was sind das für Kinder? Was ist da so los?Wohl auch deshalb haben sich Edeltraut Schmid und ihre Kollegen die Arbeit gemacht, sich auf das langwierige Verfahren für die Bewerbung um den Deutschen Schulpreis einzulassen.

Die bundesweit vergebene Auszeichnung wird seit 2006 jährlich von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung ausgeschrieben, um vorbildliche pädagogische Leistungen zu würdigen. "Wir wollten einfach wissen, wo wir wirklich stehen, und hofften auf ein Feedback", erklärt die Schulleiterin. Die Arbeit hat sich gelohnt: Die Schule "Am Park" Behrenhoff ist als bislang erste Schule aus Mecklenburg-Vorpommern für den Deutschen Schulpreis nominiert, also unter den letzten 15 aus 162 Bewerbungen. Als sich die Jury-Teams des Wettbewerbs in der Schule umsahen, Gespräche mit Schülern, Eltern, Lehrer führten, hospitierten, sei sie aufgeregt gewesen wie bei einer Prüfung.

Eine Schülerin habe sie beruhigt: "Was soll schon sein, hier bei uns ist doch alles echt." Das hat Edeltraut Schmid gefreut. Ihr ist es wichtig, dass hier jeder sein kann, wie er ist. Das gelte für die Kinder wie für die Lehrer. "Ohne das absolute Miteinander geht gar nichts", sagt sie. @ www.schule-behrenhoff.de "Wir wollten einfach wissen, wo wir wirklich stehen."