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Service- und Vertriebszentrum

Computer und Cowboy-Hut: Dell

Austin / Lesedauer: 5 min

Es hat Halle getroffen, nicht Prenzlau oder Neubrandenburg.
Veröffentlicht:12.11.2005, 00:00
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Der amerikanische Computerhersteller Dell hat seine dritte Deutschland-Niederlassung, sein neues Service- und Vertriebszentrum in Halle gebaut. 200 von mehr als 61 000 Mitarbeitern weltweit arbeiten dort. Für ein Unternehmen, das in diesem Jahr die Liste der „America‘s Most Admired Companies“ anführt, also zu den bewundertsten Firmen der Vereinigten Staaten gehört. Zu Recht? Der Stammsitz von Dell befindet sich in Austin/Texas. Wer sich auf den Weg dorthin macht, weiß natürlich, dass sich hinter Dell ein großer „Laden“ verbergen muss. Warum also staunen über Areal, Bauwerke oder Größe des Parkplatzes. Obwohl: Einen derart riesigen, reich begrünten und gleichzeitig gepflegten Parkplatz sieht man in Deutschland nicht alle Tage. Und eine extra Parkzone für Motorräder schon gar nicht. Noch dazu ganz nah am Eingang; vielleicht weil sich im sonnigen Texas nur gut Betuchte aus der Führungsriege den Spaß auf zwei Rädern gönnen können?

Egal, Tatsache ist außen wie innen: Hier haben keine armen Leute gebaut, die auf jeden Cent achten mussten. Dafür gibt es jede Menge Sicherheitsvorkehrungen, wobei offen bleibt, ob die Maßnahmen gegen Werksspione oder Terroristen greifen sollen. Aber gegen neu-gierige Journalisten aus Deutschland? Zutritt sei nur nach vorheriger namentlicher Anmeldung, Überprüfung und Ausweiskontrolle möglich, hieß es vorher – und ein klein wenig zickig klang das schon.Vor Ort dann aber angenehme Lässigkeit, „American Way of Life“ in Reinkultur. Man zeigt gern, was man hat, was man kann, worauf man stolz ist. Schutzbrillen sind plötzlich wichtiger als Ausweise, wobei auch während und nach der Besichtigungstour im Unklaren bleibt, wozu die Augengläser eigentlich gut sein sollen. Aber was soll‘s, getragen werden sie von allen. Auch von Operations Director Doug Driskill, der uns im mondänen Empfangsbereich begrüßt.

Nach einer Filmvorführung – selbstverständlich ist es kein altmodisches Video, sondern digitales Material – führt uns Mister Driskill, den offenbar alle (außer mir) Doug nennen, durch ein nicht minder mondänes Treppenhaus. Feinste Boden- und Wandmaterialien verdecken schnöden Beton, an den holzvertäfelten Wänden hängen – sauber gerahmt - Preise und Auszeichnungen, viele, sehr viele. Zumal Doug in seinen eleganten Slippern beschwingt aufwärts schreitet, nein hüpft, denn die Fitness des Mittvierzigers ist unübersehbar. Natürlich tragen solche Chefs in solchen Firmen keinen Schlips, sondern ein offenes Polo-Shirt, auch wenn Marke und Qualität des Materials keinen Zweifel an der Gehaltskategorie offen lassen.Oben angekommen, treten wir auf eine Art Balkon.

Hier liegt uns die Fertigungshalle zu Füßen. Und während unten der Alltag vor sich hin schuftet, erklärt der Dell-Olymp das Erfolgsgeheimnis des Unternehmens: „Wir wollen einfach immer und in allen Punkten die Besten sein!“ So also wirkt der Geist der Pioniere des Wilden Westens. Kein Zweifel: Laptop und Lederhosen mögen ja irgendwie zusammenpassen, Computer und Cowboyhüte sind eine perfekte Einheit. Und diesen Pioniergeist verkörpern in Austin Männer wie Michael S. Dell, der seine Firma 1984 gründete – da war er grade 19 Jahre alt. Die entstandenen Mythen erzählen vom Abbruch des Studiums, von Wohnzimmerbüro und Schrauber-Garage. Und sie erzählen vom kometenhaften Aufstieg einer simplen, aber Bahn brechenden Idee. Jungunternehmer Dell schaltete einfach die Zwischenhändler aus, verkaufte seine zusammengebastelten Computer direkt an die Kunden.

Dieses Konzept ist erfolgreich bis zum heutigen Tag, nur dass Michael Dell natürlich längst nicht mehr selber schraubt. Bestellt wird heute per Brief, Telefon oder Internet. Der Clou dabei: Dell montiert den Rechner erst nach der Bestellung, individuell nach Kundenwunsch, liefert dann aber binnen weniger Tage aus. Das machte Dell zum größten Hersteller von Personalcomputern – weltweit wohl bemerkt.Rückgrat des Erfolgs sind die eigenen Rechner und das Personal: Zahllose Computer – ohne Ausnahme Dell-Konstruktionen – steuern im Unternehmen alles; Menschen arbeiten oder überwachen. Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik läuft so: Nach der Bestellung eines Kunden setzen Rechner zunächst eine Plastikbox auf einem Fließband in Gang.

In die Kiste lässt ein Computer automatisch alle Einzelkomponenten des bestellten PCs plumpsen. Das Förderband bringt den Bausatz zu einem der Monteure, der wiederum schraubt und steckt in wenigen Minuten die Teile zusammen. Ein Computer überprüft anschließend Vollständigkeit und korrekten Sitz aller Puzzlestücke. Danach testet das Ganze nochmals ein Mensch, denn Dell-Geräte sollen fehlerfrei funktionieren, möglichst immer. Reklamationen schaden schließlich dem Ruf – und (noch schlimmer) sie sind teuer. PCs ohne Fehl und Tadel werden automatisch verpackt, landen auf einer Holzpalette und werden ausgeliefert, sobald die Palette voll ist.Helle Produktionshallen, gut gelaunte Mitarbeiter, denen Doug gerne und oft auf die Schultern klopft, an der Wand Bilder der Mitarbeiter des Monats und riesige Plakate, die mahnend an Sicherheitsbestimmungen bei der Arbeit erinnern.

Dass der Aufenthaltsraum fürs Personal mit Tischkicker und Pingpong offenbar gern genutzt wird, ist ebenso unübersehbar, wie Dougs Zufriedenheit mit sich, seinen Mitarbeitern, seiner Firma und seiner Welt.Eine weitere solche Welt hat Dell in Deutschland eröffnet. Zunächst 200 Mitarbeiter, in fünf Jahren sollen es 1000 sein. Es hat Halle getroffen, nicht Prenzlau oder Neubrandenburg. Man ist geneigt, seufzend hinzuzufügen: leider! Aber, Achtung – Dell braucht noch eine zweite Fabrik in Europa, die Entscheidung über den Standort steht noch aus