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Italiens Erdbebenregion

Riesen-Lawine tötet Hotelgäste

Rom / Lesedauer: 4 min

Die Gäste sitzen auf gepackten Koffern, dann kommt die Lawine. Die Schneemassen verschütten ein komplettes Hotel in Italiens Erdbebenregion. Augenzeugen werfen Fragen auf.
Veröffentlicht:19.01.2017, 18:45
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Eine enorme Lawine hat ein Hotel in Italiens Erdbebenregion bis zum Dach verschüttet und wohl bis zu 30 Menschen getötet. Die Aussicht, Überlebende in dem Abruzzen-Ort Farindola zu finden, galt am Donnerstag als gering. „Es sind viele Tote”, erklärten die Rettungskräfte. Erste Leichen wurden am Donnerstag geborgen. Im Inneren des Gebäudes vermuteten die Einsatzkräfte etwa 30 Menschen, darunter mehrere Kinder.

Zeugen zufolge hatten die Gäste nach der Erdbebenserie vom Mittwoch auf ihre Abfahrt gewartet, die sich aber im Schneechaos verzögert haben soll. Mindestens zwei Menschen überlebten das Unglück.

Bilder einer Videokamera zeigten, wie die Lawine in das Vier-Sterne-Hotel Rigopiano mit 45 Zimmern eindrang. Die Schneemassen erschwerten die Rettung. Die ersten Helfer kamen nur auf Skiern zu dem Hotel. Das Hotel soll Medienberichten zufolge von der Wucht der Lawine um zehn Meter verschoben worden sein. Ein Bekannter eines Überlebenden erzählte italienischen Medien, er habe Alarm ausgelöst, aber niemand habe ihm geglaubt. „Sie hatten schon die Koffer gepackt, alle Gäste wollten abreisen”, sagte der Mann.

Wie viele Menschen genau im Hotel waren, war bis zum Donnerstagabend unklar. Es war von mindestens 22 Gästen und 7 Angestellten die Rede. Medien berichteten von vier geborgenen Leichen. Der Zivilschutz bestätigte am Abend zwei Tote.

Vier Beben, jeweils mit einer Stärke über 5, hatten am Mittwoch das Gebiet erschüttert, das bereits im August und Oktober von Erdstößen heimgesucht worden war. Erdbeben und seit Jahrzehnten nicht da gewesene Schneefälle hätten eine beispiellose „Kneifzange” gebildet, sagte Ministerpräsident Paolo Gentiloni. In den nächsten Tagen soll es in der Erdbebenregion weiter schneien oder regnen. Die Polizei warnte vor weiteren Lawinen.

Auch Ausländer waren unter den Opfern, Hinweise auf Deutsche gab es zunächst keine. Unter den Touristen, die sich wohl noch im zugeschütteten Hotel befanden, sollten auch drei Rumänen sein – eine Mutter mit ihren beiden Kindern, teilte das Außenministerium in Bukarest mit. Ob sie überlebt haben, sei unbekannt.

Das Auswärtige Amt in Berlin hatte zunächst keine Erkenntnisse über deutsche Opfer: „Die Botschaft ist in engem Kontakt mit den italienischen Behörden und bemüht sich um rasche Aufklärung.”

Die Einsatzkräfte verschafften sich am Donnerstag Zutritt zum Hotel und suchen mit Spezialhunden, Geophonen – mit denen Bodenschwingungen erfasst werden können – und Kameras nach den Vermissten. Der Feuerwehr zufolge hatten sich viele Menschen in der Bar aufgehalten, als die Lawine am Mittwoch über das Hotel hineingebrochen war.

Aus dem Gebäude soll es dann am Abend einen Hilferuf per SMS gegeben haben, wie Medien berichteten. „Hilfe, Hilfe, wir sterben vor Kälte”, zitierten Ansa und die Zeitung „La Repubblica” die Textnachricht.

„Wir rufen, aber niemand antwortet”, berichteten Helfer. Die dramatische Szenerie, die sich den Helfern zeige, sei ein „tragisches Gemisch aus Erdbeben und Lawine”. Die Lawine sei „immens”. Einige der Rettungskräfte steckten im Schnee fest. Auch Krankenwagen kamen zeitweise wenige Kilometer von dem Hotel entfernt nicht weiter.

Weil sie sich im Freien aufhielten, überlebten mindestens zwei Menschen aus dem Hotel überlebt. Ein 38-Jähriger sei unversehrt, weil er zum Auto gegangen sei, um etwas zu holen, berichtete Ansa unter Berufung auf Ärzte. Der Mann habe die Einsatzkräfte alarmiert. Er selbst sei auch verschüttet worden, habe sich aber aus eigenen Kräften befreien können. Er bange um Frau und zwei Kinder.

Ein Bekannter des Überlebenden erzählte Medien zufolge: „Giampiero und alle anderen Hotelgäste hatten bezahlt und die Eingangshalle erreicht, um mit einem Schneeräumgerät abzufahren.” Dieses hätte um 15 Uhr kommen sollen, verspätete sich den Angaben zufolge aber. Die Staatsanwaltschaft in Pescara leitete Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung ein. Gegen wen, war unbekannt.

In der Nacht zu Donnerstag kam es zu weiteren Erdstößen in der Region. Einige Orte waren wegen des Schnees von der Außenwelt abgeschnitten, Tausende Haushalte ohne Strom. Die heftigen Schneefälle und die Erdbeben erhöhten die Lawinengefahr – derzeit gilt die Alarmstufe vier von fünf. Einsatzkräfte hatten bereits am Mittwochabend eine Leiche aus den Trümmern eines Hauses in der Gemeinde Castel Castagna in der Provinz Teramo geborgen.