Patriotismustraining auf dem Spielplatz
Russische Jugend soll Mini-Reichstag stürmen
Moskau / Lesedauer: 2 min
Es klingt wie ein Kuriosum: Kinder, Schüler und Jugendliche sollen den Reichstag stürmen. Nicht in Berlin, sondern in einer Kleinstadt westlich von Russlands Hauptstadt. Doch was der Verteidigungsminister Sergej Schoigu im Moskauer Parlament ankündigt, ist nicht als Scherz gedacht. „Die jungen Menschen sollen das nicht an abstrakten Schauplätzen lernen, sondern an ganz konkreten Orten“, sagt er unter Applaus und Zurufen vieler Abgeordneter in der russischen Duma. Für einen Freizeitpark will das Ministerium den Berliner Reichstag, der für Russland symbolisch für den Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg steht, in Miniformat nachbauen.
Schoigu, den Beobachter nicht als Kriegstreiber einschätzen, greift mit dem Mini-Reichstag tief in die russische und post-sowjetische Erinnerungskultur. Bereits jeder Schüler in Russland kennt das Bild des Rotarmisten Jewgeni Chaldej. Sein weltbekanntes Foto zeigt mehrere Soldaten der Roten Armee, die nach der Schlacht um den Reichstag im Mai 1945 auf dem zerstörten Gebäude ihre Flagge hissen.
Ein provisorisches Modell gibt es schon
Zwar sagt Schoigu auch: „Wir wollen unser Land nicht endlos militarisieren.“ Aber: „Wir müssen unser Augenmerk auf die patriotische Erziehung legen.“ Auf dem Gelände des „Patrioten Parks“ in Kubinka sollen deshalb militärbegeisterte Jugendliche trainieren und „sich im Überlebenskampf versuchen“, wie Schoigu das Projekt vorstellt.
Es soll besonders die vom Verteidigungsministerium unterstützte Organisation der „Jungarmisten“ ansprechen. Ihr Ziel ist es, grundlegende Kenntnisse des Militärs, der Waffen und Patriotismus zu vermitteln. Rund 42.000 junge Militärbegeisterte gibt es landesweit nach Angaben der offiziellen Webseite seit Mai vergangenen Jahres in der selbst ernannten „militärisch-patriotischen Gesellschaft“.
Ein erstes provisorisches Modell des Mini-Reichstages soll nach Medienberichten bereits existieren. Wann der nachgestellte Sturm auf den Reichstag beginnen sollte und wie der Bau finanziert wird, lässt der Minister jedoch offen.