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Was macht das Internet mit unserer Sprache?

Hannover / Lesedauer: 3 min

Unvollständige Sätze, keine Kommata und eine falsche Grammatik: Im Internet herrscht Rechtschreib- Anarchie. Wo Sprachbe- wahrer einen Kulturverlust sehen, schlummert auch viel Kreativität.
Veröffentlicht:20.11.2014, 20:27
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 A: „was machste we?“, B: „gehn essen, nom nom“, B: „jip!“, A: „späta party?“, B: „yup, bin dabei. bäm!“.
So oder so ähnlich könnte es aussehen, wenn sich zwei junge Leute über die Nachrichtendienste Facebook oder Whatsapp für das Wochenende verabreden. Bei manch einem Sprachpuristen stellen sich da die Nackenhaare auf. Auch manche Eltern befürchten, dass Chatten, Bloggen und Twittern die Sprache ihrer Kinder verhunzen könnte.

Doch Experten geben Entwarnung: Die digitale Kommunikation kann die Sprachgewandtheit sogar fördern. SMS, E-Mail, Chat und soziale Netzwerke – ständig tippen wir irgendwelche
Nachrichten.

Statt mit der besten Freundin zu telefonieren, schicken wir schnell ein paar Kurznachrichten hin und her. Mit der Folge, dass wir schreiben wie wir sprechen: in Wortsplittern, Satzfragmenten und ohne genau auf Rechtschreibung und Grammatik zu achten.

Wir schreiben „We“ statt Wochenende, „Jip“ statt Jippie. Präpositionen und Pronomen werden einfach weggelassen oder verschmelzen mit anderen Wörtern. Dazu kommt eine Fülle von emotionalen Ausdrücken wie „haha“, „gähn“, „seufz“, „mmmh“ und „nom nom“ für lecker oder „bäm“ für totale Begeisterung. Denn wo ein Gesichtsausdruck oder die Stimmlage fehlten, müssten Worte die Gefühle vermitteln, sagt Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski aus Hannover.

Forscher beobachten diese Abwandlung von Sprache schon seit vielen Jahren. Während früher vor allem Computer-Nerds Begriffe wie „lol“ (Abkürzung für laut lachen) oder „omg“ (Abkürzung für Oh, mein Gott!) nutzten, sind diese heute schon für viele selbstverständlich.

Die Webseite „Buzzfeed“ hat zum Beispiel sogar ihre Rubriken teilweise so benannt. Auch die Kommentare zu Wikipedia-Einträgen oder auf Facebook-Seiten seriöser Unternehmen wie der Deutschen Bahn zeigen einen eher lockeren Umgang mit der Sprache.

Sprachkompetenz junger Leute ist breiter geworden

„Die Texte werden immer informeller“, hat die Linguistin Christa Dürscheid von der Universität Zürich festgestellt. Dazu beigetragen haben besonders Whatsapp und ähnliche Kurznachrichtendienste. Denn dort kommt es auf schnelle Antworten an. Sprachliche Schönheit? Egal.

Sprachbewahrer sehen angesichts dieser Entwicklung schwarz. Ihre Befürchtung: Gerade junge Leute, bei denen Rechtschreibung und Grammatik noch nicht gefestigt sind, könnten gar kein korrektes Deutsch mehr lernen.

Sprachwissenschaftler Schlobinski sieht da jedoch keine Gefahr. „Es macht keinen Sinn so zu schreiben wie Thomas Mann, wenn ich einen Tweet (Text auf Twitter) mit 140 Zeichen verfasse.“ Trotzdem seien Jugendliche durchaus noch in der Lage, ordentliche Schulaufsätze zu schreiben.

Diese Einschätzung unterstützt auch eine Studie von Christa Dürscheid in der Schweiz. Sie hatte vor vier Jahren untersucht, wie die Nutzung von E-Mail, Chat und SMS auf das Schreiben von Jugendlichen in der Schule auswirkt.

Ihr Ergebnis: Die meisten Schüler können unterscheiden, ob sie eine SMS oder einen Aufsatz schreiben. „Die Schreibkompetenz hat nicht nachgelassen – im Gegenteil. Sie ist breiter geworden“, meint Dürscheid.

Denn eine einheitliche Websprache gibt es nicht. In einer E-Mail wird die Sprache anders genutzt als beispielsweise in einem Chat. Jedes Forum und jede Clique hat ein eigenes Vokabular. Da ist sehr viel Sprachgefühl gefragt, um den richtigen Ton zu treffen.