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Grenzkriminalität

Bürger gehen selbst auf Streife

Küstrin-Kietz / Lesedauer: 3 min

Sicherheit in Eigenregie, das ist das Motto einiger Einwohner in Küstrin-Kietz. Nacht für Nacht patrouillieren sie, mit Scheinwerfern auf Autodächern und haben Nachtsichtgeräte stets griffbereit. Einige Diebe gingen ihnen in die Fänge.
Veröffentlicht:03.04.2014, 20:22
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Wenn es dunkel wird, treibt es Eileen Scholz regelmäßig hinaus auf die Straßen ihres Heimatortes Küstrin-Kietz. Die dreifache Mutter ist kein Nachtschwärmer im herkömmlichen Sinne. Die 30-Jährige begleitet ihren Mann bei Streifzügen, die aus der Not heraus geboren wurden. Werden doch die Dörfer in unmittelbarer Nähe des Grenzüberganges Küstrin-Kietz seit Jahren von Dieben heimgesucht, die in der Regel über die Oder kommen – auf der Straße mit dem Auto, zu Fuß über die unbeleuchtete Eisenbahnbrücke oder aber per Boot über den Grenzfluss. Sie brechen ein und stehlen: Werkzeug, hochwertige Gartengeräte, Fahrräder, Autos und sogar große Landmaschinen.

„Wir müssen unseren Ort, unsere Heimat schützen“, sagt die junge Frau, einziges weibliches Mitglied der zum Jahresbeginn gegründeten Bürgerwehr von Küstrin-Kietz. Die 22 Freiwilligen begeben sich auch zum Wohle ihrer Nachbarn in dem 716-Einwohner-Grenzort Nacht für Nacht auf Streife, um Gauner abzuschrecken oder in die Flucht zu schlagen. Sie folgen damit dem Beispiel der 16-köpfigen Bürgerwehr von Bleyen-Genschmar, auf der anderen deutschen Oderseite des Grenzüberganges, die bereits seit dem vergangenen Sommer aktiv ist.

Streife verteilt und verständigt sich per Funk

Die Einwohner in Küstrin-Kietz fürchten um ihr Hab und Gut, wollen nicht mehr hinnehmen, dass Ortsfremde beispielsweise tagsüber mit Autos durch ihre Siedlungen fahren und seelenruhig alle Gehöfte fotografieren, um nachts einzubrechen. Sie haben den Schutz in ihre eigenen Hände genommen, verteilen sich mit Einbruch der Dunkelheit, verständigen sich über Funk, sobald sie etwas Verdächtiges bemerken. Ausgerüstet mit Handys, Nachtsichtgeräten, Taschenlampen und Scheinwerfern auf den Autodächern – ansonsten aber unbewaffnet – sind die Bürgerstreifen zu Fuß und motorisiert auf 18 Kilometern Straßen und Wegen rings um und in Küstrin-Kietz unterwegs. Aktiv seien die Diebe vor allem zwischen Mitternacht und 3 Uhr morgens, so die Erfahrungen der Nachtwächter. Etwas Illegales wollen sie nicht machen, sie haben nur Jedermannsrechte, dürfen niemanden verhaften oder gewalttätig werden.

Wenn es ernst wird, rufen die Aufpasser die Polizei

Allerdings fassen sie einen ertappten Dieb auch nicht gerade mit Samthandschuhen an, da diese sich meist heftig wehren, deutet Bürgerwehr-Mitglied Danny Schwagerick an. „Wir waren zu dritt, hatten Einbrecher in einer Kleingartenanlage bemerkt und hinderten sie am Weglaufen –
bis die Bundespolizei kam, die wir alarmiert hatten“, erinnert sich der 32-Jährige.

Die Bundespolizei hat im nur wenige Kilometer entfernten Manschnow ihr Revier. „Die Beamten sind ruckzuck hier und übernehmen dann. Das klappte bisher immer sehr gut“, erzählt Schwagerick. Die Landespolizei brauche aus dem 20 Kilometer entfernten Seelow zu lange bis zur Grenze. „Und wenn deren Streifenwagen gerade anderswo im Einsatz ist, kommt gar keiner“, ergänzt sein Vater, Gerhard Schwagerick. Das Zusammenspiel funktioniert: Mehrere Autodiebe konnten dingfest gemacht werden, nachdem Mitglieder der Bürgerwehr verdächtige Fahrzeuge verfolgten und meldeten, wenn diese augenscheinlich flüchteten. Momentan herrscht Ruhe im Ort – kein Bruch, kein Diebstahl.

Trotzdem bleiben die Streifengänger kritisch. „Es muss sich grundsätzlich etwas ändern. Lange halten wir das nicht mehr durch, Nacht für Nacht“, sagt Eileen Scholz, die wie die Anderen berufstätig ist. Das Familienleben bleibe auf der Strecke: Nach der Arbeit werde rasch gegessen, dann gehe es auf Streife.