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Bürokratische Hürden

Politik will noch mehr Festivals für Brandenburg

Potsdam / Lesedauer: 4 min

Große Musikfestivals sind Wirtschaftsmotoren in ländlichen Regionen – aber sie sorgen auch für Probleme. Zumindest die bürokratischen Hürden will die Politik aber verringern.
Veröffentlicht:20.06.2018, 17:12

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Die Vögel zwitschern, die Enten ziehen auf dem Wasser ihre Kreise. Normalerweise ist es am Waldsee von Grünefeld im Havelland ruhig und friedlich. Doch einmal im Jahr, meist Ende Juli, verwandelt sich das Gelände am See in eine Großraum-Diskothek: Dann wummern die Bässe und flackern die Laser. Dann findet dort die „Nation of Gondwana“ statt, ein von bis zu 10.000 Menschen besuchtes Techno-Festival. Seit 1995 schon sind die Raver aus aller Welt im Havelland zu Gast, kaum ein anderes Brandenburger Festival für elektronische Musik hat sich länger und erfolgreicher gehalten. Die „Nation of Gondwana” ist nur eines von vielen großen Festivals, die über das Jahr in Brandenburg stattfinden – weitere sind das „Helene Beach Festival” am Helenesee (nahe Frankfurt/Oder), das „Jenseits von Millionen” in Fürstenwalde oder das „alínæ lumr Festival” in Storkow. Voriges Jahr fand auch das internationale „Lollapalooza” in Hoppegarten nahe Berlin statt.

Die „Nation of Gondwana“ war an diesem Mittwoch deswegen auch Thema im Kulturausschuss des Brandenburger Landtags. Denn das Augenmerk der Berliner Clubszene für Veranstaltungsorte in Brandenburg steige, sagte Mark Wohlrabe von der „Clubcommission“, dem Verband der Berliner der Berliner Club-, Party- und Kulturereignisveranstalter. „Das ist eine Chance für Brandenburg.“

In Berlin ist der Platz für Festivals knapp

Schließlich sei Berlin mittlerweile teuer geworden, die nächste Generation von Festivalveranstaltern und Clubbetreibern finde keine Flächen mehr. Und ein Dorf in Brandenburg könne von einem Festival wie der „Nation of Gondwana“ durchaus profitieren, machten sowohl Festivalveranstalter Markus Ossevorth als auch der Bürgermeister von Schönwalde (Glien), Bodo Oehme (CDU), deutlich. „Wir vergeben pro Jahr Aufträge im Wert von 500.000 Euro an Firmen aus dem Havelland und aus angrenzenden Landkreisen“, sagte Ossevorth. Die Freiwillige Feuerwehr und der Seniorenclub von Grüneberg hätten einen Grillstand auf dem Festival und Jugendliche aus dem Dorf, die beim Aufbau helfen, erhielten dafür Freikarten.

Selbst mit der BTU in Cottbus arbeite man zusammen: Konstruktionen, die Studenten der Tragwerkslehre als Semesterarbeit entwickeln, würden bei der „Nation of Gondwana“ aufgebaut. Und für die Anreise der Besucher gebe es einen umweltfreundlichen Busshuttle vom Bahnhof Nauen. „Nicht nur Havelbus, auch die Betriebe der Umgebung verdienen“, sagt Bürgermeister Oehme. So würden sich Festivalgäste oft im nächsten Edeka mit Lebensmitteln eindecken oder die Gaststätten der Umgebung aufsuchen.

Bürokratie-Monster: „Waldumwandlungsgenehmigung”

Doch im Landtagsausschuss wurde auch deutlich, dass es heute vermutlich schwer werden dürfte, „Brandenburgs Chancen“ zu nutzen und eine ähnliche Veranstaltungsreihe neu zu starten: „Ich weiß nicht, ob jeder das Glück hat, auf eine so großartige Gemeinde zu treffen“, sagte Ossevorth. Bürgermeister Oehme wurde noch direkter: „Wenn heute jemand versuchen wollte, so etwas zu wuppen, muss er viel Geld und Zeit mitbringen, aber er schafft es nicht.“ Denn das Land Brandenburg habe sich „überbürokratisiert“.

Ein Beispiel sei die Nutzung einer Waldfläche durch das Festival: Bei der „Nation of Gondwana“ werde einige Tage lang der Backstagebereich im Wald untergebracht. „Dafür muss das Festival jetzt eine Waldumwandlungsgenehmigung haben“, sagte Oehme. Obwohl der Wald nach Ende des Festivals wieder Wald sei. „Die Argumente der Forstbehörde sind nicht hinnehmbar“, kritisierte der Bürgermeister. Und er sprach von einem „vertrackten Apparat der Genehmigungen.“

Politischer Wille, etwas zu verbessern, ist vorhanden

Wenn das Land nicht anfange, unbürokratischer zu werden, werde es nicht weiterkommen. Zumal Nachwuchskünstler auch an anderen Stellen mit Problemen zu kämpfen haben: So sprach die Leiterin eines Projekts zur Popularmusikszene im Land Brandenburg, Franziska Pollin, von einem „eklatanten Mangel an Proberäumen“ für neue Bands gerade in den Ballungsräumen des Landes. „Wir brauchen Geld, viel mehr Geld“, sagte Pollin.

Bei den Abgeordneten im Landtag stießen die Clubs und Festivalbetreiber am Mittwoch jedenfalls auf offene Ohren. Der CDU-Abgeordnete Henryk Wichmann regte an, das Thema der Waldumwandlungsgenehmigung für das Festival doch einmal im Petitionsausschuss zu besprechen. „Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie Behörden Entscheidungen lebensfremd treffen.“ Und auch die Linken-Abgeordnete Isabelle Vandré nannte es wichtig, das sich die Abgeordneten das Thema Festivals auf den Tisch ziehen. „Ich würde mir wünschen, dass das auch strukturell von politischer Seite unterstützt wird.“