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Initiative soll Abwanderung bremsen

Wie Schwedt für junge Leute wieder attraktiv werden soll

Schwedt / Lesedauer: 4 min

In vielen Jugendklubs steht kaum mehr als eine Tischtennisplatte. Eine Berliner Initiative will Provinzstädten zeigen, wie sie gute Freizeitangebote gestalten können. Für Schwedt ist eine Menge geplant, aber es hakt bei der Umsetzung.
Veröffentlicht:06.07.2014, 19:44
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Die Uckermark ist landschaftlich wunderschön. Doch das allein ist für die Jugendlichen, die dort aufwachsen, oft nicht genug an Nervenkitzel. Zum Beispiel Schwedt an der Oder: Dort können die jungen Leute Kanu im Nationalpark Unteres Odertal fahren oder in einem Jugendklub Tischtennis spielen. Dimitri Hegemann guckt aber verwundert, wenn er von solchen Freizeitangeboten hört. Die Kids wollten doch Freiräume, Platz zum Gestalten und rebellisch sein, meint er. „Also auch mal einen saufen oder kiffen.“

Manche werden sich fragen, was einer wie Hegemann, ein erfolgreicher Kulturmanager, in Schwedt will. 1991 eröffnete er in Berlin-Mitte den Techno-Klub Tresor. Eine der bedeutendsten Jugendkulturen breitete sich von dort aus. Die Stadt wurde Party- und Kreativmetropole, bis heute zieht dieser Spirit junge Leute aus aller Welt an.

Nun will Hegemann von diesem Geist etwas abgeben und sich um die Jugendlichen in den Provinzstädten kümmern. Ob Schwedt, Crimmitschau oder Gütersloh: Überall fehle es an Angeboten für junge Menschen, sagt er.

Agentur soll Erfahrung vermitteln

Hegemann gründete die „Happy Locals“, eine Consulting-Agentur für Jugendliche. Die Idee: Wer in seiner öden Heimatstadt etwas Neues auf die Beine stellen will, aber keine Erfahrung als Manager hat, kann sich an die „Happy Locals“ wenden. Ob Programmkino oder Rockklub: Berliner Coaches mit Erfahrung im Kultur- und Eventbereich zeigen dann, „wie man aus einer Mülltonne ein Unternehmen macht“, erklärt Hegemann.

Pilotprojekt der „Happy Locals“ ist Schwedt. Die Industriestadt verlor seit der Wende fast die Hälfte seiner einst 52 000 Einwohner. Die jungen Leute wanderten ab, weil sie kaum Perspektiven fänden, sagt Michael Wolff, Chef des Schwedter „Exit Live Clubs“. Es gebe fast keine Jugenddiskothek mehr in der Region. Das „Exit“ sei der einzige Jugendkonzertklub in der ganzen Uckermark – einer der größten Landkreise in Deutschland.

Mit Hilfe von Hegemann und seinen Leuten wurde in der Oderstadt das „Schwedt.Labor“ gegründet, ein Kreativzentrum für junge Leute. Viele alte Gebäude stehen in der Stadt leer, daraus ließe sich doch etwas machen, war die Idee. Einem verlassenen Industriegebäude, einer Ruine, einem alten Supermarkt sollte neues Leben eingehaucht werden. Das Ziel: ein Wandel in „Schwedt City“.

Viele Pläne sind bisher gescheitert

Geworden ist aus den Plänen bislang nicht viel. Zwar hätten sich etliche Jugendliche gefunden, die mitmachen wollten, sagt Wolff. Doch sei man oft am Widerstand der Stadtverwaltung gescheitert. „Dort haben wir eine Wiese, dort ein leer stehendes Gebäude nicht bekommen“, sagt Wolff. Immerhin wurde ein Musikfestival auf die Beine gestellt. „Poty“ (Passion Of The Young) steigt am 12. Juli in Schwedt. 1000 Besucher wären ein Erfolg, sagt Wolff. Die Idee sei aber eigentlich etwas Nachhaltiges, eine richtige Kulturszene gewesen.

Zum Festival will auch Schwedts Bürgermeister Jürgen Polzehl (SPD) kommen. Dass die Stadt zu wenig für seine Jugend tue, weist er zurück. 400 000 Euro stünden jährlich im Haushalt zur Verfügung. Es gebe Sportvereine, Kinder- und Jugendtheater und Orte „zum Abhängen“, sagt Polzehl, der selbst zwei Kinder hat. Allerdings sei es auch „kein Geheimnis“, dass Orte wie Schwedt nicht die Individualität wie Berlin bieten könnten.

Dimitri Hegemann sieht das anders. Kulturelle Angebote hätten nicht nur mit der Größe einer Stadt zu tun, meint er. Berlins Spirit sei in kaputten Häusern und Kellern entstanden. Dies wolle man nun zum „Exportschlager“ machen. Neulich ging die Reise noch weiter als nach Schwedt: Eine Delegation der „Happy Locals“ gastierte im US-amerikanischen Detroit.