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Gewässer ruiniert

Gülle-Bombe vergiftet den Kuckucksgraben

Ueckeritz / Lesedauer: 3 min

Er ist gerade 17 Kilometer lang, doch mit seinem klaren Wasser zählt der Kuckucksgraben, dieses Nebenflüsschen der Peene, zu den ökologischen Perlen vorpommerscher Niedermoore. Wie kippt dort einfach Gülle hinein? Den Anwohner stinkts.
Veröffentlicht:02.06.2014, 20:34

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„Glasklares Wasser war das! Überall konnte man kleine Fische sehen, wir hatten sogar den Eisvogel hier. Und jetzt? Der Graben ist doch tot!“ Der alte Mann scheint kaum zu bremsen vor Wut. Mit dem Fahrrad ist er vorneweg gefahren, um den Nordkurier-Reportern die Stelle zu zeigen am Wehr bei Ückeritz, die Stelle ist nicht leicht zu finden und nur auf zugewachsenen Wegen zu erreichen. Der Kuckucksgraben fließt dort rauschend über einen Stau, links und rechts blühen Wiesen, ein Stück vorpommersches Naturidyll – wäre da nicht der stechende Geruch. Dass Wasser stinkt, als käme es direkt aus einem Schweinestall.

Und es sieht auch so aus. Beidseits der Brücke hat sich das Flüsschen in eine Kloake verwandelt, eine meterdicke Schicht grünbrauner Klumpen staut sich vor dem Wehr, hinter dem Abfluss ist vor lauter Schlamm von Wasser gar nichts mehr zu sehen. „Reine Gülle“, sagt der Rentner. „Das sind Tonnen. Sauerei.“ Seinen Namen will er öffentlich nicht genannt sehen, groß ist die Angst vor Ärger mit den Verursachern der Schweinerei, doch er hat keinen Zweifel, wer hinter der Giftbombe im Kuckucksgraben steckt: „Der Holländer in Alt Tellin, von dem kommt das Zeug. Der kippt uns doch die Wiesen voll mit seiner Gülle.“

Die Gülle-Lawine rollt weiter

Auf den Agrarindustriellen aus dem Tollensetal und seine Geschäftspartner sind sie nicht gut zu sprechen in Ückeritz. Immer wieder klagen die Leute über den Güllegestank in der Umgebung, auch für das Zerwalzen der Wasserleitung des Dorfes im vorigen Jahr durch schwere Landtechnik machen die Ückeritzer den Betreiber der verhassten Schweinefabrik verantwortlich.

Doch stammt die Gülle im Kuckucksgraben tatsächlich aus diesem Betrieb? Das nur 17 Kilometer lange, aber ökologisch wertvolle Flüsschen selbst kommt nicht einmal in die Nähe von Alt Tellin, östlich von Wilhelminenthal entspringend fließt es bei Tutow durch den Casinosee und strömt dann gemächlich durch das Wiesenland von Ückeritz und Sophienhof, um gegenüber der Loitzer Marina in die Peene zu münden.

Dort wird die giftige Gülle-Lawine in wenigen Tagen angelangt sein - der Graben fließt langsam, aber stetig. Auf unserer Recherchefahrt am Montag war bei Sophienhof bereits eine Trübung des Wassers zu erkennen. Dort hat der Wasser- und Bodenverband gerade erst 2010 eine 70 Meter lange Fischtreppe bauen lassen, um den Fischbestand des Kuckucksgrabens zu verbessern. Erste Erfolge waren zu verzeichnen, sogar Krebse gab es schon wieder am Ückeritzer Wehr. Die haben die giftige Brühe kaum überlebt.

Von wegen Altlast

Im Umweltamt des Landkreises wusste man am Montag noch nichts von der Gülle-Attacke. „Wir gehen dem sofort nach“, sagte Grete Benthin, in der Fachbehörde für das Thema Gewässerschutz zuständig. Zurzeit kämen durch die niedrigen Wasserstände so einige Sündenfälle ans Tageslicht. Von Vorverurteilungen hält die Umweltexpertin nichts. „Wer in diesem Fall der Verursacher ist, kann man ohne Untersuchung vor Ort nicht sagen.“

Für die Ückeritzer, die die Vergiftung ihres Baches am Wochenende entdeckten, ist dies keine unentdeckte Altlast. „Das ist ganz frisch“, sagt der Rentner. „Vor einer Woche war hier alles noch sauber.“