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Schicksale

Nachbarin rettet Familie das Leben

Borrentin / Lesedauer: 4 min

Der Umbau des Hauses ist so gut wie fertig, als ein nächtliches Feuer die Arbeit mehrerer Jahre vernichtet.
Veröffentlicht:17.12.2002, 00:00
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Nichts ist mit froher Weihnacht. Familie Brennstuhl aus Alt Kentzlin (Landkreis Demmin) sitzt in einer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung auf den wenigen Habseligkeiten, die ihnen noch geblieben sind. Dabei war vor einer guten Woche die Welt noch in Ordnung. Mit ihrem Haus, vor einigen Jahren der Gemeinde abgekauft, war die Familie aus dem Gröbsten raus. Das Geld für die Reparatur- und Sanierungsarbeiten hat sich die Familie vom Munde abgespart. Viel war nie da. Schließlich hat Jörg Brennstuhl erst seit kurzer Zeit wieder Arbeit als Kraftfahrer, und Ehefrau Heidemarie ist schwer krank und kann die Haushaltskasse nur mit einer kleine Rente aufbessern. Trotzdem hatten sie es geschafft. Einen Kredit haben sie nur für die neue Heizung aufnehmem müssen.

„150 Euro monatlich zahlen wir dafür zurück“, sagt Heidemarie Brennstuhl, „das ging noch“.Alles futsch. Der „rote Hahn“ hat ihre Zukunft aufgefressen. In der Nacht zum Mittwoch, vor knapp einer Woche, brannte das mit viel Mühe und Kraft sanierte Haus ab. „Wir wären wohl alle tot“, sagt die Familienmutter, „wenn nicht eine Nachbarin vom anderen Ende des Dorfes, die gerade von der Nachtschicht kam, die Flammen auf unserem Dach gesehen hätte. Wir haben geschlafen und nichts gemerkt.“ Die Retterin der Familie habe nur Sturm geklingelt und geschrien. „Dann sind wir alle ins Freie“, schildert Heidemarie Brennstuhl den Albtraum. „Unserer elfjährigen Tochter habe ich nur schnell noch den Anorak übergeworfen und dann ging es nix wie raus.“ Ob sie bei der klirrenden Kälte überhaupt Schuhe an den Füßen hatte, weiß die 50-Jährige gar nicht mehr zu sagen.

Noch in der gleichen Nacht ist die Frau wegen eines erlittenen schweren Schocks ins Krankenhaus eingeliefert worden.Brandursache, so haben die Ermittler laut Heidemarie Brennstuhl festgestellt, sei der im Dachgeschoss stehende Ölradiator gewesen. „Oben ist es bei den Minusgraden immer etwas zu kalt gewesen“, erzählt die Frau. Da habe sie das zusätzliche Heizgerät aufgestellt. In der Mitte des Zimmers, betont sie. Die elfjährige Susi hat die Wärmequelle dann wohl zu dicht an das Sofa gerückt.‹‹ Turnschuhe verbrannt ››„Unsere Tochter redet nicht mehr viel“, barmt die Familienmutter, „sie gibt sich die Schuld, dass wir so viel verloren haben.“ Und das tue ihr besonders Leid, sagt Heidemarie Brennstuhl und knüllt ein Taschentuch in der Hand, schließlich hätte das jedem passieren können. Gerade heute früh hätte es wieder Tränen gegeben. Sport stand auf dem Stundenplan, und da wäre der Kleinen eingefallen, dass sie ja auch keine Turnschuhe mehr hat.

„Ich habe ihr gesagt, sie soll dem Sportlehrer erzählen, was los ist, der habe bestimmt Verständnis.“So groß der Kummer über die verbrannten Turnschuhe auch ist, noch schwerer wiegt für die Eltern das verbrannte Mobiliar. In der Drei-Zimmer-Wohnung, vom Amt der leidgeprüften Familie in Borrentin zur Verfügung gestellt, steht nur das Notwendigste. Das meiste von den Möbelbörsen im Kreis Demmin. Sogar eine Küchenzeile gab es. Und zum Schlafen habe auch jeder was. Und ein Elektroherd ist jetzt auch da, ein hilfsbereiter Nachbar hat ihn vorbeigebracht.Die Ansprüche sind bescheiden geworden. Denn noch fehlt es an allen Ecken und Enden, und in den Möbelbörsen steht auch nicht ständig alles. Ein Kleiderschrank wäre nicht schlecht, gesteht die Frau, und vielleicht etwas gegen die kalten Füße in der Parterre-Wohnung.

Ein Teppich vielleicht oder Auslegware. Bisher wissen die Brennstuhls nicht, wie sie das alles finanziell auf die Reihe kriegen sollen. Denn immerhin schlagen jetzt zu allem anderen auch noch 400 Euro Miete zu Buche. Geld, das sie nicht gerade übrig haben. „Unser großes Glück war doch bisher“, sagt Mutter Brennstuhl, „dass wir keine Miete zahlen brauchten und dadurch auch über die Runden kamen.“ Hilfe kommt vielleicht vom Sozialamt. Gerade klingelt eine der Damen an der Tür und will mit Heidemarie Brennstuhl bereden, wie man noch unterstützen kann. Die Hilfsbereitschaft tut der Familie gut.

Aber trotzdem, die Weihnachtsstimmung ist nur gedrückt. Weihnachten – das Fest der Liebe, der Freude und des Schenkens. Nicht jeder aber kann den Gabentisch für sich und seine Nächsten reich decken. Mit dem nun schon seit 1992 bestehenden Leserhilfswerk möchte der Kurierverlag wie schon in den Vorjahren auch diesmal dazu beitragen, Weihnachten für jene zum Fest werden zu lassen, die unverschuldet in Not gerieten. Heute und in den nächsten Tagen werden wir über Schicksale von Leuten in unserer Region berichten.