Wertvolles Demmin
Wald und Schulen jetzt mit Preisschild
Demmin / Lesedauer: 3 min
Nun haben wir bald es schwarz auf weiß: Auch die Hansestadt hat ihren Preis. Wie ein neues Handy, ein Paar Gummistiefel oder der Jogurt im Kühlregal bei Aldi. Summa summarum knapp 63 Millionen Euro ist Demmin Wert. Nachzulesen in einem Packen Papier, der sich im Verwaltungsdeutsch sperrig "Eröffnungsbilanz" nennt und derzeit als Entwurf im Rathaus kursiert. Es ist eine Art Generalinventur, die die momentane Vermögenslage der Kommune abbildet.
Bürgermeister Michael Koch (CDU) spricht lieber vom "Stand des Eigenkapitals" und teilt die Bilanz in ein für Laien schwer durchschaubares Geflecht von Aktiva und Passiva mit Anlagevermögen, Sonderposten und ähnlich komplizierten klingenden Schubladen. Vereinfacht gesagt läuft es darauf hinaus, als wäre die Stadt eine Firma und bewerte ihr Kapital. Soll heißen: Alles, was die Kommune "besitzt", von der Straßenlaterne bis zum Kriegerdenkmal, von der Grünanlage bis zum Feuerwehrauto, ist in den letzten beiden Jahren aufgelistet und auf Basis spezieller, vom Innenministerium vorgeschriebenen Listen mit einem Preisschild versehen worden.
Und so wissen wir nun: Demmins Umgehungsstraße war zum Stichtag 31. Dezember 2011 exakt eine eine Million Sechshundertfünfzehntausend vierhundertsiebenundsechzig Euro und dreiundsechzig Cent wert. Wenn ein reicher russischer Oligarch unserem Stadtwald kaufen wollte, müsste er dafür knapp 3,7 Millionen Euro auf den Tisch blättern. Für den gleichen Preis bekäme er auch fast die Fritz-Reuter-Schule - oder für ein vergleichsweises Taschengeld von 62 000 Euro das Multifunktions-Sportfeld am Stadion. Aber das seien natürlich nur theoretische Gedanken, schränkt Stadtkämmerer Ronny Szabo ein: "Natürlich kann und wird eine Kommune nicht einfach eine Schule oder eine Straße verkaufen. Es ist schon noch mal ein Unterschied, ob man eine Firma bewertet oder eine Stadt."
In der Praxis ist das sowieso noch alles um einiges komplizierter. Da wird hin- und her- und gegengerechnet mit Abschreibungen und Sonderposten, und so kommt es dann, dass alte Straßenlampen mit dem symbolischen Wert von einem Euro zu Buche schlagen und die hundert Jahre alte Rote Schule wegen der vielen staatlichen Zuschüsse am Ende doch nur 2,5 statt 3,8 Millionen Euro "kostet".
Und wozu das alles nun? Immerhin haben alle Ämter des Rathauses zwei Jahre lang neben ihrem eigentlichen Job der großen Inventur von Soll und Haben zugearbeitet. Seinen Sinn habe das schon, sagt Bürgermeister Koch. Die städtischen Eröffnungsbilanz ist sozusagen das "Buch der Bücher" für die künftige Haushaltsführung nach dem neu eingeführten Prinzip der so genannten Doppik. "Wichtig ist dabei, dass unser Eigenkapital mit 60 Millionen Euro positiv ausfällt. Nach vorläufiger Bilanz steht damit unterm Strich eine Zahl, die noch keine Panik auslösen muss."
Klingt wie: So schlecht gehts uns gar nicht. Doch am Ende ist besagtes Kapital in vielem nichts als Schall und Rauch. Was nützt eine mit knapp vier Millionen Euro bewertete Schule, wenn man sie doch nicht verkaufen will und kann? Der Bau einer wettkampfgerechten Sporthalle steht auch nach der jüngsten Machbarkeitsstudie, von der man sich doch eigentlich eine Sparvariante erhoffte, weiter in den Sternen - zu teuer. Von den Euros auf dem Papier wird die Hansestadt um keinen Cent reicher. Und ein Oligarch ist nicht in Sicht.