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"Stalins Rache"

Wie gefährlich sind die Pflanzenmonster?

Trittelvitz / Lesedauer: 3 min

Was da so grün und gewaltig wuchert am Amazonas des Nordens, ist nicht der giftige Riesen-Bärenklau, entwarnen Botaniker. Es ist die harmlose Engelwurz, eine Heilpflanze. Doch die beiden Gewächse sehen sich gefährlich ähnlich.
Veröffentlicht:24.07.2014, 21:04

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Das hatte Sabine Dietrich gerade noch gefehlt. Die Gemeinde Schönfeld möchte nun auch ein bisschen vom Peenetal-Tourismus profitieren, und darum konnte der Bürgermeisterin die Aussicht natürlich nicht gefallen, dass sich neuerdings der hochgiftige Riesen-Bärenklau an den Flussufern ausbreitet wie die grüne Pest. Gegen die riesigen Pflanzenmonster aus dem Osten, Spitzname „Stalins Rache“, ist kaum ein Kraut gewachsen. Eigentlich hilft nur ausgraben und verbrennen, aber das muss man erst mal hinbekommen in der wuchernden Flora der verwildernden Niedermoore.

Wahre Vernichtungsfeldzüge

Jetzt kann Dorfchefin Dietrich wieder schlafen. Sie bestellte extra einen amtlichen Botaniker ins Peenetal, und danach hatte die Botanik wieder ihre Ordnung. Was da unten im Schilfgürtel wuchert auf Deubel komm raus, ist nur die Echte Engelwurz, von den Gelehrten Angelica archangelica genannt. Dem Riesenbärenklau ziemlich ähnlich, fast genauso riesig, aber eben harmlos. Völlig ungefährlich. Eine richtige Engelswurzel eben.

Die Verwechslungsgefahr mit dem verhassten Kaukasus-Stängel hat in Deutschland schon wahre Vernichtungsfeldzüge vom Zaun gebrochen. An der Elbe und der Außenalster, berichtet das Hamburger Abendblatt, war es vorigen Sommer besonders schlimm: In der Annahme, den ätzenden Riesen-Bärenklau zu vernichten, trampelten Spaziergänger hunderte Engelwurz-Pflanzen nieder. Verzweifelt rief die Hamburger Heilpraktikerin Daniela Wolff ihre Mitmenschen zur Vernunft auf: „Engelwurz ist eine der stärksten Heilpflanzen, die wir haben. Die Wurzel der Angelica hat man früher sogar verwendet, um Tuberkulose und Cholera zu behandeln.“

Bis zu drei Meter hoch

Als sogenannte Stromtalpflanze verbreitet sich Engelwurz besonders gut an den Flussufern und Gewässern. Das bestätigt auch Friedhelm Ziemann, Naturschutz-Fachmann im Kreisumweltamt, der die vor allem zwischen Aalbude und Demmin sowie längs des Neukalener Kanals wuchernden Doldenblütler als Angelica identifizierte. Jedenfalls in den Beständen, die er untersuchte: „Was da wächst, ist eindeutig Engelwurz.“

Verwechslungsgefahr besteht auch vor allem wegen der monsterhaften Größe: Beide, die Heilpflanze und ihr giftiger Doppelgänger, können bis zu drei Meter hoch werden. Beide tragen Dolden und haben kräftige rötliche Stängel. Das wars aber auch schon fast mit den Gemeinsamkeiten. Vor allem die Farbe und Art der Blütendolden variiert stark: Die der Engelwurz sehen grün und kugelig aus, beim Riesenbärenklau wachsen sie stets tellerförmig und blühen weiß.

Im Zweifelsfall sollte man die Pflanzen aber einfach meiden, denn zumindest in den letzten Jahren wurden an der Peene mehrfach Vorkommen des Riesenbärenklau nachgewiesen – zuletzt bei Haus Demmin. Auch wenn die Pflanzen dort laut Umweltamt ausgegraben und vernichtet wurden: Sicher kann man kaum sein, dass nicht irgendwo noch weitere dieser Monster wachsen, die schon bei leichter Berührung schwere Verbrennungen
hervorrufen.

Ursprünglich aus dem Kaukasus

Wie kommen diese ursprünglich aus dem Kaukasus stammenden Stauden überhaupt in unsere Breiten? Das mit den Russen ist da schon nicht so ganz abwegig. Zar Alexander brachte 1815 eine Vase voller Samen des Riesen-Bärenklau mit – als Geschenk für den Fürsten Metternich. Die Zierpflanze fand als Modeschmuck schnell Verbreitung in Mitteleuropa, Goethe war ein ebenso großer Fan der Doldengewächse wie später Bundeskanzler Helmut Schmidt. Jetzt wird der Westen das Zeug nicht mehr los. Wir Peene-Pommern immerhin haben wohl Glück gehabt.