StartseiteRatgeberW-Lan-Nutzer dürfen voreingestellter Verschlüsselung vertrauen

BGH-Urteil

W-Lan-Nutzer dürfen voreingestellter Verschlüsselung vertrauen

Karlsruhe / Lesedauer: 3 min

Privatleute haften auch für ein schlecht gesichertes W-Lan. Für den Bundesgerichtshof gibt es dabei aber Grenzen. Anja Semmelroch fasst das Wichtigste aus einem aktuellen Urteil zusammen.
Veröffentlicht:24.11.2016, 18:35
Artikel teilen:

Eine Frau war angeklagt: Warum sollte sie haften?

Urheberrechte an Filmen, Musik oder Computerspielen werden im Internet oft über Tauschbörsen oder sogenannte Filesharing-Netzwerke verletzt. Die Täter laden sich die Datei unerlaubterweise über eine Software auf ihren Computer und stellen die bereits heruntergeladenen Teile davon gleichzeitig Anderen zur Verfügung. Das passiert nicht ohne Spuren. Über die IP-Adresse lässt sich zurückverfolgen, von welchem Anschluss aus eine Datei angeboten wurde.

Damit steht aber nicht unbedingt fest, wer der Täter ist. In Wohngemeinschaften oder Familien sind mehrere Leute über denselben Anschluss im Netz unterwegs, und in dem Fall vor dem BGH hackte sich ein Unbekannter von außen in das WLAN der Frau. Deshalb kommt hier die sogenannte Störerhaftung ins Spiel.

Was genau wird unter Störerhaftung verstanden?

Ein „Störer” ist nach der Rechtsprechung des BGH, „wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt”. Das kann also auch jemand sein, der nicht sichergestellt hat, dass sein Internetanschluss vor Missbrauch geschützt ist. Nach diesem Prinzip gehen einige Unternehmen in der Film- und Musikbranche systematisch gegen Anschlussinhaber vor: Sie lassen Anwälte Abmahnungen verschicken und fordern Schadenersatz.

Wie häufig werden solche Abmahnungen verschickt?

Nach einer Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentralen sind sechs Prozent der Bundesbürger schon einmal abgemahnt worden. Die Verbraucherschützer haben außerdem Daten ihrer Berater und eine Online-Umfrage ausgewertet. Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, vermittelt aber einen Eindruck.

Demnach wollten die Abmahnkanzleien für einen außergerichtlichen Vergleich im Schnitt etwas mehr als 870  Euro. Dabei geht es meist um die Anwaltskosten. Schadenersatz dürfen die Rechteinhaber nur von Nutzern verlangen, die als Täter infrage kommen. Zum Schutz vor überzogenen Forderungen hat der Gesetzgeber die zulässigen Abmahnkosten 2013 in vielen Fällen gedeckelt. Die Verbraucherzentralen kritisieren aber, dass es Lücken gibt.

Was haben die Karlsruher Richter jetzt entschieden?

Diesmal geht es um die Verschlüsselung des Routers. Die Frau nutzte ein Gerät, bei dem von Werk ein individualisierter Schlüssel aus 16 Ziffern nach gängigem Standard (WPA2) voreingestellt war. Sie beließ es dabei und gab nur dem WLAN einen neuen Namen. Erst gut ein Jahr nach einem Hacker-Angriff warnte der Anbieter seine Kunden – es hatte sich herausgestellt, dass die Codes mit einem unsicheren Verfahren generiert wurden und deshalb leicht zu knacken waren.

Die zentrale Frage war, ob die angeklagte Frau das Passwort hätte ändern müssen. Musste sie nicht: Nach Auffassung der Richter durfte sie der Verschlüsselung trauen. Solange jede Zahlenkombination nur genau einmal vergeben sei, gebe es keinen Anlass, daran zu zweifeln. Die Frau muss also nicht zahlen.

(Az. I ZR 220/15)