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Veggie, Bio, Paleo, Low-carb

Warum Ernährung zur Mode wird

Berlin / Lesedauer: 2 min

Geht es Veganern und Trend-Essern in erster Linie ums Tierwohl? Wissenschaftler zweifeln daran. Sie sehen bei den verschiedenen Eigenarten, die das Essen anbelangen, etwas ganz anderes.
Veröffentlicht:19.05.2016, 18:47
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Paleo, vegan – oder doch lieber Wechseljuicer und Flexitarier? Die Ernährungsstile und die Diskussionen darüber werden in Deutschland immer ausgefallener. Genuss, Rücksicht aufs Tierwohl oder ein kritischer Blick auf den ökologischen Fußabdruck müssen nicht immer dahinterstecken, sagen Wissenschaftler. In einer Überflussgesellschaft scheint es vielmehr für viele hip zu sein, sich mit wohldosiertem Verzicht abzugrenzen – für die schicke Ich-Performance auf dem Teller.

Wenn es in Deutschland ums Essen ging, kreisten die Diskussionen – bis hin zur Schulspeise – lange wenig genussvoll meist um den Preis. „Bei uns sind Ernährung und Essen eher naturwissenschaftliche Phänomene“, erläutert Jana Rückert-John, die an der Hochschule Fulda „Soziologie des Essens“ lehrt. „Die Gesellschaft kommt zu kurz.“

Viele Menschen machen Ess-Kompromisse

Doch gab es 2015 ganze 119 neue Kochbücher für Veganer. 7,8 Millionen Menschen ernähren sich nach Angaben des Vegetarierbundes heute ohne Fleisch, 900. 000 Menschen vegan – also komplett ohne tierische Lebensmittel wie Eier oder Milch. Am 45-Milliarden-Euro-Umsatz der Fleischindustrie habe das allerdings bisher kaum etwas geändert, sagt Forscherin Rückert-John. „Den einzigen wirklichen Rückgang beim Fleischkauf gab es während der BSE-Krise.“

Nach dem jüngsten Konsum-Index der Gesellschaft für Konsumforschung lag der Umsatz für Fleischersatz und pflanzliche Brotaufstriche 2015 bei rund 311 Millionen Euro – und wuchs damit zuletzt um ein gutes Drittel. Ganz ohne Fleisch und Wurst lebten die Konsumenten deshalb nicht unbedingt. Viele Menschen machten den Kompromiss, weniger Fleisch zu essen, aber nicht völlig auf Steak oder Bratwurst zu verzichten, stellten die Konsumforscher fest. Bereits ein Drittel der Haushalte rechne sich den „Flexitariern“ zu.

Ernährungswahn als Bestandteil des Lebensstils

Doch das ist nicht alles. Außer auf „veggie“ und „bio“ kann das Augenmerk auch ganz ohne Verdauungsprobleme auf „glutenfrei“ oder „laktosefrei“ liegen. Dazu kommt das Jonglieren mit Kohlehydraten bei high-carb und low-carb, die Steinzeitkost Paleo oder das Schwören auf Obst- und Gemüsemixgetränke – Juice oder Smoothie.

„Ernährungswahn“ nennt Ernährungswissenschaftler Uwe Knop diese Entwicklung. Den endgültigen Schub habe der „Wahn“ bekommen, seit Ernährung der Persönlichkeitsfindung und Profilierung diene – und zum wichtigen Bestandteil des individuellen Lebensstils geworden sei: „Ich zeige, was ich esse – und damit zeige ich, was ich bin und wo ich hingehöre.“