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Neubrandenburger Auschwitzprozess

Ablehnung der Richter "einmalig"

Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

Die Schwurgerichtskammer im Prozess gegen einen ehemaligen KZ-Sanitäter wurde abgelehnt – wegen Befangenheit. Das gab es noch nie.
Veröffentlicht:26.06.2017, 07:03

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Dieser Beschluss ist in der Geschichte der deutschen Justiz außergewöhnlich: Noch nie wurde eine komplette Schwurgerichtskammer wegen Befangenheit abgelehnt, sagte Professor Johannes Weberling, Anwalt in Berlin und Chefredakteur der juristischen Fachzeitschrift „Neue Justiz“. „Das ist einmalig“, erklärte er zur Ablehnung der Kammer am Neubrandenburger Landgericht unter Vorsitz von Richter Klaus Kabisch. Hier gibt es den Beitrag zum Nachlesen.

Pikant: Den entsprechenden Beschluss fasste die Große Strafkammer des Landgerichts. Damit sprachen Neubrandenburger Richter ihren drei Kollegen das Vertrauen ab, einen fairen Prozess gegen den ehemaligen KZ-Sanitäter und SS-Mann Hubert Z. zu führen.

Seit Beginn des Neubrandenburger Auschwitz-Verfahrens musste sich insbesondere Kabisch wegen seiner Prozessführung immer wieder Kritik gefallen lassen. Der Fall wurde wie weitere Auschwitz-Verfahren in ganz Deutschland aufmerksam beobachtet. Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen – so lautet die Anklage gegen Hubert Z.

Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung und Beleidigung

Bereits im Februar 2016 hatte das Richter-Trio Walter und William Plywaski, deren jüdische Mutter im KZ Auschwitz ermordet wurde, als Nebenkläger abgelehnt. Eine Entscheidung, die das Oberlandesgericht (OLG) Rostock wieder aufhob. Ein neuer Streit um die Nebenklage-Berechtigung sorgte nun für die Ablehnung von Kabisch und seinen zwei Kammer-Kollegen: Ende 2016 hatte Kabisch erneut angekündigt, die Plywaski-Brüder als Nebenkläger auszuschließen. In einer Reaktion unterstellte Cornelius Nestler, Anwalt der Nebenkläger, der Kammer daraufhin Rechtsbeugung. Kabisch reagierte harsch und warf ihm in einem offiziellen Schreiben „narzisstisch dominierte Dummheit“ vor.

Das OLG hob die Entscheidung zur Ablehnung der Nebenkläger ein zweites Mal auf. Daraufhin reagierte die Staatsanwaltschaft mit weiteren Befangenheitsanträgen gegen die Kammer, denen sich die Plywaski-Brüder anschlossen. Walther und Nestler erstatteten zudem Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung beziehungsweise Beleidigung.

„Persönlich herabwürdigende” Bemerkungen

Die Große Strafkammer führte für die Begründung ihrer Ablehnung im Wesentlichen die OLG-Argumente auf. Die Befangenheit ergebe sich daraus, dass „die Kammer nicht befugt war, die Nebenklagezulassung zu widerrufen“. Zudem habe das OLG die Ausführungen von Nestler und Walther zur Zulassung ihrer Nebenkläger als „umfassend und zutreffend bezeichnet“.

Die Bemerkungen der Kammer gegenüber Nestler seien hingegen als „persönlich herabwürdigend, in der Sache verfehlt und nicht hinnehmbar bezeichnet“ worden. „Dies sei dazu angetan, bei beiden Nebenklägern die Besorgnis der Befangenheit zu begründen“, heißt es in dem Beschluss der Großen Strafkammer. Eine Stellungnahme der abgelehnten Richter konnte nicht eingeholt werden, weil sie bereits seit Wochen krank und dienstunfähig sind.

Hier geht es zum kompletten Beitrag in der "Neuen Justiz".