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Zeitzeuge über Lichtenhagen-Film

"Hoffe, der Film bekommt noch sein Publikum"

Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

Wolfgang Richter war 1992 dabei, als in Rostock-Lichtenhagen die Brandbomben flogen. Wie findet er „Wir sind jung, wir sind stark“?
Veröffentlicht:23.01.2015, 19:45

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Kein Plakat im Aushang vor dem Kino, ein kleiner Kinosaal, und ein Kassierer, der erst den Filmtitel im Programmheft nachschlagen muss. „Wir sind jung, wir sind stark“, das sagte dem Mitarbeiter des großen Kinos in Neubrandenburg zunächst einmal nichts.

Wie soll dann erst die Premiere des Films über den Angriff auf das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen in Neubrandenburg ausfallen? Außer dem Verfasser dieser Zeilen kam kein Mensch zur ersten Vorstellung. Das ist erschreckend, meint Wolfgang Richter. Der ehemalige Ausländerbeauftragte der Stadt Rostock hat den Brandanschlag auf das Sonnenblumenhaus miterlebt. Er war zur Zeit des Anschlages mit den vietnamesischen Bewohnern in dem Wohnheim eingeschlossen.

Laut Eva-Maria Hess von der Film-Agentur könnten die Besucherzahlen für „Wir sind jung, wir sind stark“ in Mecklenburg-Vorpommern noch zulegen. Außer in Rostock sehen sich in der Region weniger Leute den Film an als in Hamburg oder Berlin.

"Brandaktuelle Vorlage für gegenwärtige Debatte"

Allerdings sei der Streifen besser angelaufen als „Kriegerin“. Der mehrfach preisgekrönte Film über die Neonazi-Szene in Deutschland lockte in der Startwoche im Januar 2012 bundesweit knapp 30 000 Zuschauer in die Kinos. Zum Vergleich: „James Bond – Skyfall“ wollten in der ersten Woche über 2,4 Millionen Kinobesucher sehen.

„Ich hoffe, der Film bekommt noch sein Publikum“, sagt Richter. Als Zeitzeuge hat er die vierjährige Produktion des Streifens von Regisseurs Burhan Qurbani begleitet. Herausgekommen sei ein großartiger Film, der sehr nah an die Ereignisse vom 24. August 1992 komme, gleichzeitig aber eigene Figuren erschaffe, sagt Wolfgang Richter.

Der heutige Mitarbeiter der Gesellschaft für Gesundheit und Pädagogik in Rostock hält den Film für eine „brandaktuelle Vorlage“ für die gegenwärtigen Debatten um die Aufnahme von Flüchtlingen. An „Wir sind jung, wir sind stark“ sei gut zu erkennen, was passiert, wenn Hass eskaliert und in eine Progrom-Stimmung umschlage. Das Schlimme an dem Anschlag auf das Sonnenblumenhaus seien seiner Meinung aber nicht die jugendlichen Neonazis gewesen. „Die Masse, die gegrölt und gejubelt hat, das war das eigentlich Widerliche.“