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Zoff in der Linkspartei in Stralsund

Linke brüskieren eigene OB-Kandidatin

Stralsund / Lesedauer: 3 min

Nur sieben Wochen vor der Wahl ist die Linkspartei zerstritten wie nie zuvor. Drei der fünf Vorstandsmitglieder traten wegen Kerstin Kassner zurück.
Veröffentlicht:10.03.2015, 19:45
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In der Stralsunder Innenstadt überreichte Rügens Ex-Landrätin Kerstin Kassner (Linke) vergangenen Sonntag rote Nelken zum Internationalen Frauentag, um für ihre Kandidatur als Oberbürgermeisterin zu werben. Doch zur gleichen Zeit verteilten Zusteller an alle Mitglieder der Linkspartei Briefe ihres Kreisvorstandes, in dem der eigenen Kandidatin die Unterstützung in der heißen Wahlkampf-Schlussetappe entzogen wurde.

In dem Schreiben wirft der Vorstand Kassner „Politikshopping und Inhaltsleere“ vor. Durch das Wahlteam von Kerstin Kassner werde massiv in die Arbeit des Kreisvorstandes eingegriffen, heißt es. Die Vorwürfe reichten von der Anzettelung von Streit, der Bildung informeller Gruppen, Blockade und Boykott der Arbeit des Kreisvorstandes bis hin zu Denunzierungen verdienstvoller Mitglieder. Zugleich verkündeten Kreisvorsitzende Marina Klatte, ihr Stellvertreter Marcus Dreßler und Vorstandsmitglied Anja Röhl ihren sofortigen Amtsrücktritt.

Seit Jahren gibt es Clinch

Die innerparteilichen Querelen in der Stralsunder Linkspartei, in der nach Insiderangaben noch immer MVs ehemalige und wenig erfolgreiche Sozialministerin Marianne Linke die Strippen zieht, haben damit einen neuen Höhepunkt erreicht. Linke, die seit fast vier Jahren mit dem Landesvorstand im Clinch liegt, sich gegen die Zusammenlegung der Kreisverbände Stralsund und Vorpommern-Rügen zur Wehr setzte und mit ihrer Haltung zur DDR-Vergangenheit mehrfach die Parteispitze düpierte, hatte im November 2014 den Chefposten in Stralsund aufgegeben.

Viele Mitglieder hatten der 69-Jährigen nicht nur ihren autoritären und rückwärtsgewandten Führungsstil, sondern vor allem das Versagen im Vorfeld der Kommunalwahlen 2014 verübelt. Damals waren unter Linkes Verantwortung Fehler bei der Kandidaten-Nominierung gemacht worden, was zum Wahl-Ausschluss der Linken geführt hatte. Mehreren Parteimitgliedern platzte daraufhin der Kragen. Sie gründeten die „Linke offene Liste“ (LOL), erreichten elf Prozent der Wählerstimmen und zogen mit fünf Abgeordneten in die Bürgerschaft. Seitdem gibt es immer wieder Zoff zwischen Kreisvorstand und LOL-Fraktion.

OB-Kandidatin hofft auf "reinigendes Gewitter"

Kassner, die sich im Herbst überraschend für eine Kandidatur zur OB-Wahl bekannte, hofft jetzt auf ein „reinigendes Gewitter“ im chronisch zerstrittenen Kreisverband. Sie kündigte zügige Gespräche mit den verbliebenen beiden Vorstandsmitgliedern Christina Winkel und Schatzmeister Rudolf Harig, dem Landesvorstand und den drei Stralsunder Basisgruppen an, um die Krise zu beenden. Eine Kandidatur für den Stralsunder Kreisvorstand lehnt Kassner, die Rügens Kreisvorsitzende ist und eine Fusion befürwortet, ab. „Seit Sonntag haben mir viele Bürger in sozialen Netzwerken Mut zugesprochen“, sagt sie. Bei den Oberbürgermeisterwahlen am 26. Juni hoffe sie trotz allem auf eine Stichwahl mit dem als Favoriten geltenden Amtsinhaber Alexander Badrow (CDU).

Ob der Zuspruch für Kassner nach der Watsche dafür wirklich reicht, bleibt abzuwarten. Denn nicht wenige Stralsunder Wähler bringen wenig Verständnis für Kassners wechselvolle Politikkarriere auf. Nach zehn Jahren als Rügens Landrätin hatte sie 2011 im neuen Großkreis Vorpommern-Rügen gegen Ralf Drescher (CDU) verloren, war dann an die Spitze des ungeliebten Jobcenters gewechselt, um sich 2013 in den Bundestag wählen zu lassen. Nach eineinhalb Jahren Opposition in Berlin will sie nun wieder in die Kommunalpolitik zurück.