StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernLöst ein Riesen-Donut unser Energieproblem?

Forschungsprojekt Wendelstein 7-X startet

Löst ein Riesen-Donut unser Energieproblem?

Greifswald / Lesedauer: 4 min

Nach langer Verzögerung steht heute in Greifswald die Montage der Forschungsanlage „Wendelstein 7-X“vor dem Abschluss. Kritiker haben aber gleich mehrere Punkte an dem Projekt zu bemängeln.
Veröffentlicht:20.05.2014, 02:03
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Es ist nichts weniger als ein Menschheitstraum: Beinahe schier unerschöpflich Energie, jederzeit verfügbar und preiswert zudem. Dieser Vision ein Stück näherzukommen – daran arbeiten mehr als 400 Forscher, Techniker und Ingenieure seit 14 Jahren am Stadtrand von Greifswald. Im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) werden dieser Tage die jahrelangen Montagearbeiten für die technisch überaus komplexe Forschungsanlage „Wendelstein 7-X“ beendet.

„Wendelstein 7-X“ gilt als wohl letzte Laborvariante für ein Demonstrationskraftwerk, in dem Energie durch Kernfusion – ähnlich den Vorgängen auf der Sonne – gewonnen werden soll. Für die Tests wurde ein 700 Tonnen schwerer Koloss, der sogenannte Stellarator, errichtet. Die aus fünf unregelmäßig geformten Segmenten zusammengesetzte Plasmakammer gleicht einem riesigen Donut, einem zehn Meter großen Ring, der mit zahlreichen Messinstrumenten gespickt ist. In seinem Innern sollen Magnetspulen ein mit Mikrowellen erhitztes heißes Gas möglichst wärmeisoliert in der Schwebe halten.

Kernfusionen werde es aber kaum geben

„Wir wollen mit dieser Anlage lernen, wie man ein Plasma erzeugen und halten kann, in dem Atomkerne bei Temperaturen von rund 100 Millionen Grad unter Freisetzung großer Energien miteinander verschmelzen könnten“, sagt Plasmaphysik-Professor Robert Wolf, zuständig für die Optimierung des Stellarators. Kernfusionen werde es dabei kaum geben, weil statt Tritium und Deuterium hier Wasserstoff und Deuterium verwendet werde, was nur wenige Fusionen wahrscheinlich mache.

Bis zur Inbetriebnahme müssen die Experten die 370 Millionen Euro teure Anlage auf den Forschungsbetrieb vorbereiten. Zunächst werde in den nächsten Wochen die gesamte Luft aus dem System abgepumpt, so dass in der Kammer mit den Magnetfeldspulen ein Vakuum entstehe, sagt Wolf. Im Herbst werde dann damit begonnen, die Anlage mit flüssigem Helium schrittweise auf minus 269 Grad herunterzukühlen. Erst danach würden die Magnete in Betrieb genommen.

„Problem der Strahlung und des Mülls bleibt“

Für die Inbetriebnahme steht noch eine Genehmigung durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales aus, das gerade die Sicherheitsberichte des Betreibers prüft. Kritiker wie Grüne, Linke und Umweltverbände machen Sicherheitsbedenken und Zweifel an der Abschirmfähigkeit des Hallenbetons geltend, obwohl unabhängige Gutachter 2013 die Einhaltung von Strahlenschutzauflagen bestätigt hatten.

Eine rechtssichere Betriebsgenehmigung sei illusorisch, sagt Arndt Müller vom BUND. Die Gutachter des Tüv Süd hätten eine falsche Betonrezeptur nachgewiesen. Die Wirklichkeit werde nun mit Rechenmodellen schöngeredet. Auch der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Johann-Georg Jaeger, zweifelt: „Selbst wenn die Probleme bei der Nutzung dieser Energieform gelöst würden und auf diese Weise langfristig Energie produziert würde, bleibe das Problem der radioaktiven Strahlung und des radioaktiven Mülls.“

Für eintägigen Betrieb reichen 500 Gramm Tritium

Ohnehin sehen Umweltschützer in der Fusionsforschung nur eine Verschleuderung öffentlicher Forschungsgelder. Fraglich sei, ob Kernfusion in den nächsten 40 Jahren überhaupt einen Beitrag für die Energieversorgung leisten könnte.

Aus Sicht der Wissenschaftler aber sind die möglichen Vorteile der Fusionstechnologie so überzeugend, dass man nicht auf diese Option verzichten dürfe. Denn erstens seien die dafür erforderlichen Rohstoffe Deuterium im Wasser und Lithium, aus welchem das Tritium hergestellt wird, weltweit überall in großen Mengen verfügbar. Für den eintägigen Betrieb einer Anlage mit 1000 Megawatt elektrischer Leistung reichten schon gerade mal 500 Gramm Tritium, sagt Wolf.

Zweitens würden keine Treibhausgase anfallen. Im Unterschied zur strahlenden Altlast bei der Kernspaltung in derzeit betriebenen KKWs besitze Tritium eine Halbwertszeit von lediglich zwölfeinhalb Jahren. Die Aktivität der Fusionskammer sei nach etwa 100 Jahren so weit abgeklungen, dass die Materialien recycelt werden könnten. Eine jahrhundertelange Endlagerung sei also nicht erforderlich. Auch seien weder Kettenreaktion noch Kernschmelze zu befürchten, weil bei Zwischenfällen der Brennvorgang sofort zum Erlöschen käme und die Restwärme nicht ausreiche, die Sicherheitshülle zu zerstören.