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Auschwitz-Prozess

Neubrandenburger Richter für befangen erklärt

Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

Im Prozess gegen einen ehemaligen SS-Sanitäter sind drei Richter abgelehnt worden. Das Internationale Auschwitz Komitee sieht die „Würde des Gerichts“ wiederhergestellt.
Veröffentlicht:24.06.2017, 15:16
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Das Landgericht Neubrandenburg hat die drei Richter der Schwurgerichtskammer, die mit dem sogenannten Auschwitz-Verfahren befasst sind, für befangen erklärt. Die Entscheidung sei am Freitag gefallen, erklärte ein Gerichtssprecher am Samstag. Es seien andere Richter für die Kammer benannt worden. Eine Begründung nannte der Sprecher zunächst nicht. Die Befangenheitsanträge hatten Ankläger und Nebenkläger gestellt.

Der Prozess gegen den 96 Jahre alten SS-Sanitäter wurde Ende 2016 ausgesetzt. Dem Angeklagten wird Beihilfe zum Mord in mindestens 3681 Fällen vorgeworfen.

In dem Gerichtsbeschluss heißt es: Weil der Vorsitzende Richter und seine Kollegen wiederholt versucht hatten, einem Nebenkläger und NS-Opfer die Teilnahme an der Verhandlung zu verwehren, „muss sich bei dem Nebenkläger nahezu zwangsläufig der Eindruck ergeben“, die Richter seien ihm gegenüber nicht unvoreingenommen gewesen, „als sie beschlossen haben, ihn aus dem Verfahren auszuschließen“.

Das Internationale Auschwitz Komitee begrüßte die Entscheidung des Gerichts. „Von Anbeginn des Prozesses an war das aggressive Desinteresse des Vorsitzenden Richters am Schicksal und den Erinnerungen der Überlebenden deutlich spürbar“, teilte das Komitee mit. „Die schleppende Verhandlungsführung des Gerichts hat für diesen Prozess einen Scherbenhaufen hinterlassen, der in den Annalen der deutschen Justiz als weiteres negatives Beispiel der missglückten Aufarbeitung der NS-Verbrechen zu Buche schlagen wird.“ Die Überlebenden seien dankbar, dass Vertretungsrichter der Kammer die Würde des Gerichts wiederhergestellt hätten.

Psychiatrische Gutachter haben den Angeklagten als „nicht verhandlungsfähig“ eingeschätzt. Der Mann sei wegen fortschreitender Demenz nicht mehr in der Lage, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen oder die Verteidigung angemessen zu führen.

Der Angeklagte war 1944 einen Monat im KZ Auschwitz-Birkenau als SS-Sanitäter tätig – nach Angaben seiner Verteidigung in der Betreuung von KZ-Personal. In der Zeit wurden mindestens 3681 Menschen aus Deportationszügen unmittelbar in Gaskammern umgebracht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 96-Jährigen vor, sich in die Lagerorganisation eingefügt und so die Vernichtung von Leben befördert zu haben. Um die Gesundheit des Angeklagten streiten die Prozessparteien seit zwei Jahren.