StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernScharfe Kritik an Justizministerin in "Rabauken-Jäger"-Affäre

Umstrittenes Urteil

Scharfe Kritik an Justizministerin in "Rabauken-Jäger"-Affäre

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Die „Rabauken-Jäger“-Affäre sorgt weiter für Diskussionen. Sogar der Ministerpräsident hat sich von Generalstaatsanwalt Trost distanziert. Rudern Uta-Maria Kuder und ihr Chefankläger jetzt zurück?
Veröffentlicht:01.07.2015, 18:29

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Angesichts der seit mehreren Wochen andauernden Verfahren gegen Redakteure des Nordkurier stehen Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) und ihr Generalstaatsanwalt Helmut Trost weiter unter Druck. „Wer angesichts des einfachen Sachverhalts für die Prüfung eines Anfangsverdachts derart lange braucht, wie die Staatsanwaltschaft in Mecklenburg-Vorpommern, sollte ernsthaft die Personalpolitik überdenken“, erklärte Professor Holm Putzke, Strafrechtsexperte an der Universität Passau. Die Ministerin müsse sich vor diesem Hintergrund nicht wundern, wenn Zweifel an der Qualität und Effizienz der geleisteten Arbeit laut würden.

Bereits Ende Mai hatten zwei Neubrandenburger Staatsanwälte Strafanträge gegen den Nordkurier-Chefredakteur Lutz Schumacher gestellt, unter anderem auch Behördenleiter Dirk Schneider-Brinkert. Hintergrund: Ein Kommentar unter der Überschrift „Rabauken in Richter-Robe“. Schumacher hatte die Staatsanwaltschaft und das Pasewalker Amtsgericht  scharf kritisiert, nachdem ein Reporter unserer Zeitung vom Gericht zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt worden war. Er hatte einen Jäger aus Ueckermünde als „Rabauken-Jäger“ bezeichnet, weil dieser ein totes Reh an der Anhängerkupplung über eine Bundesstraße geschleift hatte. Beiden Verfahren hatten bundesweit für ein Medienecho gesorgt.

Gegen den Chefredakteur laufen Vorermittlungen

Anfang Juni hatten sowohl das Justizministerium als auch die Staatsanwaltschaft Stralsund, die die Strafanträge gegen Schumacher bearbeitet, von Ermittlungen gegen den Chefredakteur gesprochen. Wortwörtlich hatte das Ministerium am 8. Juni auf eine Anfrage erklärt: „Mit der weiteren Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens hat der Generalstaatsanwalt den Leitenden Oberstaatsanwalt in Stralsund beauftragt.“

Fragt man Justizministerium, Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft Stralsund aktuell nach dem Stand des Verfahrens, ist allerdings nur noch von Vorermittlungen die Rede. Derzeit, so Ministeriumssprecher Tilo Stolpe, prüfe die Staatsanwaltschaft Stralsund in einem „Vorermittlungsverfahren“, ob der Kommentar Schumachers eine Beleidigung darstelle, die vom Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt sei. Das Ergebnis der Prüfung sei offen. Ebenso die Frage, ob „überhaupt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird“. Auch die Staatsanwaltschaft Stralsund sowie Generalstaatsanwalt Helmut Trotz sind offensichtlich auf die neue Sprachregelung eingeschwenkt.

Ministerpräsident distanziert sich vom Generalstaatsanwalt

Nach dem offensichtlichen Widerspruch zwischen dem „Ermittlungsverfahren“ von Anfang Juni und dem aktuellen „Vorermittlungsverfahren“ gefragt, reagiert Ministeriumssprecher Stolpe ausweichend. Was für den Außenstehenden wie Haarspalterei klingt, hat für denjenigen, der ins Visier eines Staatsanwaltes gerät, erhebliche Bedeutung. „Wer bestreitet, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, verhält sich rechtswidrig, weil er dem Beschuldigten seine gesetzlichen Rechte vorenthält“, erklärt Strafrechtler Putzke. Wer die alte Sprachregelung durch eine neue ersetze, versuche zu vermeiden, sich dem Vorwurf einer Verfolgung Unschuldiger auszusetzen. Es liege der Verdacht nahe, dass versucht werde, „anfängliche Fehler zu vertuschen“, erklärte Putzke. Zuvor hatte der Uni-Professor Trost in einem Artikel der renommierten FAZ vorgeworfen, sich selbst strafbar zu machen, weil er „absichtlich und wissentlich“ einen offensichtlich Unschuldigen verfolge. 

Unterdessen hat sich Erwin Sellering (SPD) von Generalstaatsanwalt Trost distanziert. Er wünsche sich „einen souveräneren Umgang des Generalstaatsanwalts mit Kritik aus Wissenschaft und Medien“, so der Ministerpräsident in einem weiteren FAZ-Beitrag zur „Rabauken-Jäger“-Affäre. Kritik kommt auch von Oppositionsführer Helmut Holter. Das Agieren der Staatsanwaltschaft erwecke bislang den Eindruck, „als ob unliebsame Presseartikel kriminalisiert werden sollen“, erklärte der Fraktionschef der Linken im Landtag. Er kündigte eine offizielle Anfrage an die Landesregierung zu dem Thema an.