Hersteller-Vergleich
Ökotrend kommt langsam in Pkw-Branche an
München / Lesedauer: 3 min
Statt Leder umspannen Ananasfasern die Sitze straff. Am Armaturenbrett aus Hanf kleben Zierteile aus Eukalyptus, dahinter stecken Flachs und Kenaf. Moderne Autos setzen im Innenraum immer mehr auf nachwachsende Rohstoffe. Im Vergleich zu künstlich hergestellten Produkten besitzen sie Vorteile: Sie wachsen nach, sind theoretisch unendlich verfügbar, besitzen gute Dämmeigenschaften und ein positives Crashverhalten, und sie sind unter Umständen biologisch abbaubar. „Oft haben sie eine bessere CO2-Bilanz, sind leichter, besser zu recyceln und bieten Vorteile bei Haptik und Patina“, sagt Daniela Bohlinger, Leiterin „Sustainability in Design“ bei BMW.
Nachwachsende Rohstoffe und recycelte Kunststoffe
Beim Elektrofahrzeug BMW i3 kommen rund 20 Prozent Recyclingmaterial zum Einsatz, bei herkömmlichen BMW 15 Prozent. Je nach Ausstattung sind bis zu 80 Prozent aller Flächen im Sichtfeld des Fahrers aus nachwachsenden oder nachhaltig verarbeiteten Rohstoffen. Darunter fallen Kenaf (eine Malvenart), europäischer Eukalyptus, Schurwolle (anstelle von Baumwolle) oder Olivenblattextrakt für gegerbtes Leder (statt Chemie).
Die Möglichkeiten für weitere Einsätze seien unendlich. „Wir beschäftigen uns mit allem, wie dem Einsatz von Wolle aus Kapok-Nüssen oder der Aufbereitung von Fluss- und Seeplastik“, sagt Bohlinger. Neben nachwachsenden Rohstoffen forscht BMW auch an Rezyklaten, also recycelten Kunststoffen. Aus aufgearbeiteten Starterbatterien und alten Stoßfängern entstehen Kunststoffteile für Radläufe, Unterböden oder Kabelbäume. „Wichtig ist bei allen Werkstoffen: Sie müssen die gleiche Qualität erfüllen wie konventionelle Stoffe“, sagt Bohlinger.
Ganz problemlos sind die neuen Produkte nicht
Bei Volkswagen werden unter anderem Flachs, Hanf, Kenaf, Papier, Zellulose, Baumwolle und Holz in der Serienfertigung eingesetzt. Bauteile mit diesen Materialien sind beispielsweise in Tür- und Seitenverkleidungen, Ladeböden oder Bodenbelägen zu finden. Im aktuellen Golf finden sich mehr als hundert Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen.
Ganz problemlos sind die Produkte aber nicht: Insbesondere die Geruchsentwicklung stellt eine Herausforderung dar. „Dies ist aber durch geeignete Fertigungsverfahren beherrschbar“, sagt Peter Weisheit von VW. Auch die permanente Verfügbarkeit für eine ununterbrochene Produktion stellt die Industrie vor Probleme. Denn im Einzelfall können negative Umweltauswirkungen wie Wasser-, Dünger-, Energie- und Landbedarf sowie soziale Aspekte wie Nahrungsmittelkonkurrenz den Einsatz von Öko-Produkten verhindern.
Herausforderung: schwankende Eigenschaften der Stoffe
Audi verwendet in manchen Modellen bis zu fünf Prozent Öko-Materialien, darunter Baumwollvliese, Holz, Holzfaserwerkstoff in Verkleidungen sowie Leder. Auch für Audi muss die Beständigkeit gegen mechanischen Abrieb, Feuchtigkeit, Wärme, UV-Strahlung und Chemie gegeben sein. „Außerdem dürfen die Werkstoffe keine zusätzlichen oder schlechtere Emissionswerte aufweisen“, sagt Dieter Kraft, Leiter Materialentwicklung.
Eine Herausforderung seien schwankende Eigenschaften der nachwachsenden Rohstoffe. Nur durch einen hohen Aufwand von Bearbeitungs- und Behandlungsprozessen werden dann die gewünschten Eigenschaften erreicht. „Wir arbeiten an verschiedenen Konzepten, die Nachhaltigkeit unserer Fahrzeuge weiter zu verbessern und den Anteil nachwachsender Rohstoffe zu erhöhen“, sagt Kraft. Dazu zählen holzbasierte Sandwichwerkstoffe, biobasierte Korrosionsschutzschichten oder Gerbstoffe zur Lederherstellung aus nachwachsenden Rohstoffen.
Keine pflanzlichen Stoffe bei unfallrelevanten Teilen
Mercedes setzt in den Tür-Innenverkleidungen Holz- oder Flachsfasern mit Harz ein und im Schiebedach-Rahmen eine Naturfasermatte. „In allen Modellen verwenden wir in verschiedenen Bereichen unter anderem Hanf, Kenaf, Baumwolle, Schurwolle, Leinen, Kokosfaser, Flachs, Zellulosefasern oder Holz“, sagt Anita Engler, Leiterin umweltgerechte Produktentwicklung bei Mercedes. „In erster Linie sind Naturfasern Träger für Verkleidungsbauteile und nicht sichtbar.“
Bei einer Motorabdeckung kommt ein Biopolymer zum Einsatz. Das Polyamid zur Herstellung besteht zu rund 70 Prozent aus pflanzlichen Rohstoffen, die aus Rizinussamen gewonnen werden. Auch Mercedes will den Einsatz der Öko-Teile weiter erhöhen. „Wir entwickeln unter anderem Lösungen im Sichtbereich, die auch für den Kunden erlebbar sind“, sagt Engler. Nur bei crashrelevanten Bauteilen verzichtet Mercedes auf Rezyklate oder nachwachsende Rohstoffe: „Bisher konnte noch kein untersuchtes Material die Anforderungen sicher erfüllen.“