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Von Schliemann, der kein Preuße war

Ankershagen / Lesedauer: 4 min

Heinrich Schliemann war ein Preuße.
Veröffentlicht:22.03.2007, 10:40
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Heinrich Schliemann war ein Preuße. Er konnte reiten wie weiland John Wayne. Seine Fäuste streckten selbst den übelsten Ganoven nieder. Und - man höre und staune - er präsentierte den von ihm gefundenen "Schatz des Priamos" auf einer Berliner Bühne im Angesicht des Kaisers und der dortigen Gelehrtenwelt.

Nein, es war nicht Mustafa Askin, den ich 1990 vor den Toren von Troja traf. Obwohl, der "geprüfte Reiseleiter" hatte damals so manche Geschichte parat, die schon ein Stück weg war vom Homerschen Heldenepos, der Ilias. Und Askin, der immer noch Besucher durch die Troas - das Gebiet zwischen den Dardanellen und der Bucht von Edremit in der Türkei - führt, wusste auch die eine oder andere Begebenheit aus dem Leben des Heinrich Schliemann, die mit dessen wirklicher Biographie nicht wirklich zu tun hatte. Aber der rührige Unternehmer war und ist mit diesem geschichtsträchtigen Flecken Erde in Kleinasien von Kindesbeinen an zu sehr verwachsen, als dass er sich der schnöden Geschichtsfälschung schuldig machen würde. Er hat seinen Homer gelesen und auch Schliemanns Biografie - und er hat beides "ein wenig weiterentwickelt", wie er mir vor sechzehn Jahren erstmals mit einem verschmitzten Blick auf drei Touristenbusse versicherte.

Nein, es war ein privater Fernsehsender, der an zwei Abenden dieser Woche "das große TV-Event" präsentierte, in dessen Mittelpunkt Heinrich Schliemann und seine griechische Ehefrau Sophia stehen. Was für ein Thema? Schliemann, im mecklenburgischen Neubukow geboren und im mecklenburgischen Ankershagen aufgewachsen, Schliemann, der an der mecklenburgischen Universität in Rostock promoviert wurde, der als Kaufmann unter anderem in Holland, Kalifornien und Russland zu unermesslichem Reichtum gelangte, Schliemann, der Ausgrabungen in Griechenland, Italien und der Türkei vornahm, der wenigstens 15 Sprachen beherrschte, Schliemann, der im Ausland heute noch bekannteste Mecklenburger, der erste wahre Europäer, der Kosmopolit mit drei Staatsbürgerschaften - ein Mann, dessen Biographie geradezu nach einer Verfilmung schreit. Auch wenn der Pastorensohn mitnichten ein Preuße war. Dieser Meinung sind auch Dr. Reinhard Witte, Leiter des Heinrich- Schliemann-Museums in Ankershagen, und der Tübinger Professor Ernst Pernicka, der seit 2005 die Grabungen in Troja leitet, die 1988 von dem Ur- und Frühgeschichtler Manfred Korfmann begonnen worden waren. Wittes Urteil über den Spielfilm ist verheerend, Pernicka hat noch vor dem ersten der üppig platzierten Werbeblöcke seinen Fernseher abgeschaltet.

"Ich maße mir ja nicht an, einem Spielfilm seine künstlerische Freiheit beschneiden zu wollen", sagt Witte. "Aber wenn man mit Zahlen und Fakten arbeitet, die historischen Personen beim Namen nennt, dann sollten Zahlen, Fakten und Personen schon so angeordnet werden, dass sie wenigstens einer freundlich-kritischen Betrachtung standhalten. Das jedoch tun sie nicht."

Sagt es und handelt sich die Kritik des Schliemann-Darstellers Heino Ferch ein. Aus der Heimatstadt des Troja-Entdeckers gebe es einen "vehementen Zweifler", der bereits vor der Fertigstellung des Films "unprofessionell und eitel" agiert habe, meint der Edel-Mime. Gemeint ist Reinhard Witte. Nur hat dieser sich aus Ankershagen zu Wort gemeldet - bekanntlich nicht die Heimatstadt Schliemanns.

Dies, so scheint es, ist noch die kleinste historische Unkorrektheit. Und da es schwer ist zu entscheiden, wo man in dieser Sache anfangen und aufhören sollte, tut man beides am besten mit dem Schluss des Filmwerkes. Das Ehepaar Schliemann tritt in einer pompös inszenierten Einstellung vor des deutschen Kaisers Antlitz und präsentiert dem den Schatz des Priamos. Fakt ist, dass Schliemann am

31. Mai 1873 jenen Goldfund auf dem Grabungshügel, dem Hisarlik, machte. Der Ausgrabungserlaubnis des Sultans zufolge hätte er den Schatz mit der Türkei teilen müssen. Stattdessen schickte Schliemann seine Entdeckungen noch am Fundtag nach Athen und ließ sie in der Folgezeit einfach "verschwinden". Was für den Forscher allerdings von Nachteil war. Glaubte er doch, mit dem Schatz des Priamos endlich auch das homerische Troja entdeckt zu haben. Seine in der Fachwelt heftig umstrittene These ließ sich also nicht belegen. Schliemann veröffentlichte den Fund, nahm 1875 eine Geldstrafe von 10000 Goldfranken an, zahlte das Fünffache und stellte öffentlich aus: erstmals 1877 im South Kensington Museum in London - nicht vor dem Kaiser in Berlin.

Einen Vorteil hat der Zweiteiler jedoch auch für Witte. Sein Museum, Ankershagen und die Person Schliemanns selbst sind dieser Tage medial derart in die Öffentlichkeit gerückt worden, dass der Mann verstärkt mit Besucherscharen aus nah und fern rechnet.

Und wem der weltweit größte Schliemann-Fundus noch nicht reicht, der möge sich ein wenig in Geduld fassen, bittet denn auch noch Ernst Pernicka. In diesem und im nächsten Jahr werde man die Grabungen in Troja verstärkt nutzen, um die dann 20-jährige Arbeit der Tübinger in der Troas auszuwerten. Gedacht sei dann auch an ein Museum in der Nähe des Grabungshügels. Ein Ansinnen, das der "geprüfte Reiseleiter" Mustafa Askin ganz toll findet.