StartseiteRegionalNeubrandenburgEin Vergehen - zum vierten Mal erwischt

Richter ist (noch einmal) milde

Ein Vergehen - zum vierten Mal erwischt

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Keine Ahnung, gesteht eine ältere Dame unter Tränen, warum sie schon wieder etwas in ihrer Tasche verschwinden ließ - ohne es zu bezahlen. Auch das Gericht rätselt über das Motiv, muss die Rentnerin aber bestrafen. 
Veröffentlicht:04.02.2015, 15:57
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Brot und Schinken sind einer 74-Jährigen zum Verhängnis geworden. Beides, im Wert von nur drei Euro und ein paar Zerquetschten, ließ die Frau in ihrer geräumigen Handtasche verschwinden und ging dann mit dem Einkaufskorb die paar Schritte zur Kasse, um die andere Ware zu bezahlen. Doch hinter der Kasse wartete schon der Supermarkt-Detektiv.

Für ihr Vergehen stand die Frau am Mittwoch vor Gericht.

„Ich weiß nicht, was passiert ist“, erzählt die Rentnerin dem Richter. Keine Ahnung, warum sie die Lebensmittel nicht bezahlen wollte. Es sei einfach so passiert. Und dann bricht es aus ihr heraus. Sie gesteht, schon seit 20 Jahren keine Freude mehr zu erleben. Erst die Pflege der Schwiegermutter, jetzt, auch schon seit Jahren, müsse sie sich zu Hause um alles und jeden kümmern. Der Ehemann ist keine Hilfe mehr, im Gegenteil, sondern mittlerweile auch ein ­schwerer Pflegefall, der nichts mehr weiß und nichts mehr kann.

Eigentlich, bei einer „Beute“ von lediglich ein paar Euro, drücken selbst Staatsanwälte gern ein Auge zu und stellen das Verfahren ein. Hier nicht, denn die Frau bereits drei Vorstrafen. Jedes Mal das gleiche, Diebstähle in Kaufhallen, lächerlicher Kram allesamt. Das wiegt aber trotzdem schwer, „einschlägig vorbestraft“ nennen es Juristen. Und immer wieder haben die Richter im Amtsgericht Neubrandenburg der alten Dame dafür Geldstrafen aufgebrummt. Genutzt hat es anscheinend nicht viel. 600 Euro musste die Delinquentin erst vor eineinhalb Jahren bezahlen. Das sei ihr sehr schwer ge­fallen, heißt es aus ihrer Ecke, schließlich ist die Rente nur kümmerlich nach Jahren der Arbeitslosigkeit.

Der Staatsanwalt gesteht der Angeklagten ganz zweifelsfrei psychische Probleme zu, die bestimmt aus ihrer häuslichen Situation resultieren. Aber eine verminderte Steuerungsfähigkeit, so, dass sie nicht Herr oder Frau ihres Handelns sei, das ganz bestimmt nicht. Doch eine Freiheitsstrafe erscheint dem Ankläger, Vorstrafen hin oder her, dann doch zu hart. 600 Euro Geldstrafe, so sein Antrag, sollten es sein.

Richter Jörg Landes ist einverstanden. Auch wenn dies der Logik widerspricht, trotz der Wiederholung fällt die Geldstrafe am Ende nicht höher aus als im Urteil davor. Doch Landes hebt – symbolisch – den Finger. Er wolle nicht hoffen, die alte Dame auch noch ein fünftes Mal hier in seinem Gerichtssaal zu sehen. Dann bleibe tatsächlich nichts anderes übrig, als eine noch härtere Strafe auszusprechen.