StartseiteRegionalPasewalkToter im Stall: Firmchenchef steht vor Gericht

Hinterbliebene wollen kein Schmerzensgeld

Toter im Stall: Firmchenchef steht vor Gericht

Pasewalk / Lesedauer: 3 min

Im Mai 2013 erschütterte ein tragischer Arbeitsunfall die Gemeinde Bergholz. Ein damals 51-Jähriger stürzte durch das Dach eines ehemaligen Schafstalls und verunglückte tödlich. Vor dem Pasewalker Amtsgericht musste sich nun der Betriebschef verantworten.
Veröffentlicht:10.09.2014, 08:14

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Rainer-Dieter K. stockt die Stimme. „Sigmar hat noch gesagt, das ist so ein Scheiß-Dach, auf das wir dort raufmüssen“, sagt der Bagemühler als Zeuge vor dem Pasewalker Amtsgericht. Sigmar M., ebenfalls aus Bagemühl, war nicht nur sein bester Freund, sondern auch sein Schwager. Zusammen haben sie im Agrarbetrieb in Bergholz gearbeitet. Am 23. Mai sollten die beiden und weitere drei Mitarbeiter alte Wellasbestplatten auf einem alten Schafstall auswechseln. Dann geschieht das Unfassbare. Sigmar M. stürzt durch das poröse Dach. Jede Hilfe kommt zu spät. Vor dem Pasewalker Amtsgericht musste sich nun der Firmenchef verantworten. Als Arbeitgeber wirft die Staatsanwaltschaft dem 64-Jährigen fahrlässige Tötung vor. Als Zeugen sind die vier Mitarbeiter sowie ein Beamter vom Landesamt für Gesundheit und Soziales geladen.

Besitzer übernimmt Verantwortung für den Unfall

Vor der Zeugenbefragung verliest Rechtsanwalt Steffen Küchler eine persönliche Erklärung für seinen Mandanten. Darin übernimmt der 64-Jährige die Verantwortung für den tragischen Unfall. Und er räumt ein, dass keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden. Den Unfall bedauere er zutiefst.

Richter Gerald Fleckenstein will von den Mitarbeitern wissen, wie sich der Arbeitsablauf an jenem Tag abgespielt hat, wer welche Anweisungen gab, ob der Arbeitgeber von dem maroden Zustand des Daches wusste. Letzteres war allgemein bekannt, auch dem Chef, sagt ein Zeuge. Man wollte noch Bretter auf die Platten legen, um die Last zu verteilen. „Dazu kam es aber nicht, wir sollten gleich loslegen“, schildert der Kollege von Sigmar. Der Chef habe vor Arbeitsbeginn noch gesagt, wer durchbricht, fällt auf Stroh, meint ein anderer. Doch wo Sigmar M. aufschlug, standen keine Strohballen. „Es gab keine Gefährdungsbeurteilung. Und es gab keine Sicherheitsvorkehrungen“, schlussfolgert Thomas Mäder vom Landesamt für Gesundheit und Soziales vor Gericht.

Hinterbliebene sollen Schmerzensgeld bekommen

Während die Verteidigung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 450 Euro fordert, plädiert die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg auf eine für eine achtmonatige Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf Bewährung. Zusätzlich soll den Hinterbliebenen 20.000 gezahlt werden.

Richter Fleckenstein kommt nach dem gut dreieinhalb Stunden dauernden Verfahren zu diesem Urteil: Der Landwirt muss 180 Tagessätze zu je 400 Euro (72.000 Euro) zahlen. Der Angeklagte, begründet der Richter, habe seine Schuld zwar eingestanden. Dennoch müsse man ihm grobe bis gröbste Fahrlässigkeit vorwerfen. Auch ein Laie hätte sehen können, dass das Dach porös ist. Ein gewisses Maß an Mitschuld würden aber auch der Geschädigte und die Mitarbeiter tragen, die „ein erhöhtes Maß an Leichtsinn“ zeigten. Gleichwohl hätten alle Beteiligten arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie die Arbeiten nicht ausgeführt hätten, meint Fleckenstein.

Die Kinder von Sigmar M. lehnten noch in der Verhandlung eine Geldzahlung an die Familie ab. „Davon wird unser Vater auch nicht wieder lebendig.“