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Zweiter Weltkrieg

Odyssee des Gefangenen Giorgio P.

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

70 Jahre nach dem Kriegsende versucht ein Italiener das Schicksal seines Vaters aufzuarbeiten. Er fand heraus, dass Giorgio Petrillo in Prenzlau als Zwangsarbeiter schuften musste. Fast verhungert, fand er seinen Weg zu seiner Familie.
Veröffentlicht:27.03.2017, 13:47

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Vom Hauptfeldwebel zur „106090“: Giorgio Petrillo war einer von mehreren Hundert italienischen Gefangenen, die für die Prenzlauer Firma Ebeling & Co. Apparate-Fabrik in den letzten Kriegsjahren arbeiten mussten. Als Hauptfeldwebel der italienischen Armee wurde Giorgio Petrillo im griechischen Vonitsa von den Nazis am 13. September 1943 gefangen genommen, wie sein Sohn Bruno Petrillo dem Uckermark Kurier sagte.

Lange wussten Eltern, Geschwister und die Verlobte des Soldaten nicht, ob Giorgio Petrillo überhaupt noch am Leben war. Erst ein Jahr, nachdem er gefangen genommen wurde, informierte das Internationale Rote Kreuz die Angehörigen über den Verbleib des Mannes. „Nachdem, was uns der Kommandant vom Stalag berichtet, erfreut sich Hauptfeldwebel Petrillo guter Gesundheit und hat die Möglichkeit, seinen Familienangehörigen zu schreiben“, heißt es in einem Schreiben der Hilfsorganisation, das seine Verlobte am 26. August 1944 in Rom erreichte. Mit der Abkürzung Stalag war ein größeres Kriegsgefangenenlager in Pommern gemeint, dass er am 12. Oktober 1943 erreichte. Von dort wurden die Gefangenen zu Arbeitskommandos in verschiedene Betriebe oder Bauernhöfe gebracht.

In Prenzlau als Zwangsarbeiter

Bevor seine Odyssee weiterging, wurden der Italiener in dem Stammlager registriert. Nun war er nicht mehr Hauptfeldwebel Giorgio Petrillo sondern nur noch „106090“ – nicht mehr als eine Nummer. Durch Erzählungen des Vaters weiß der Sohn von Giorgio Petrillo, dass der Gefangene zusammen mit 22 italienischen und sechs Soldaten anderer Nationalität nach Prenzlau gebracht wurde. Dort angekommen musste er für den Rüstungsbetrieb Ebeling & Co. als Zwangsarbeiter schuften. Die Firma stellte zu diesem Zeitpunkt Flugzeugzubehör, Federbeine und Radklappen für das deutsche Militär her.

Mit dem Ende des Kriegs war für den Italiener die Zeit in Prenzlau nicht vorbei. Nachdem die Rote Armee im April 1945 die Stadt einnahm, verpflichteten sie Giorgio Petrillo. Da er in Odessa geboren wurde und dort seine ersten Lebensjahre verbracht hatte, sprach er fließend Russisch. Das wurde ihm zum Verhängnis. Statt die beschwerliche Heimreise anzutreten, um endlich seine große Liebe Carmela und die Familie in Italien wiederzusehen, musste Petrillo in Prenzlau bleiben und als Übersetzer fungieren.

In der Gefangenschaft mit Tuberkulose infiziert

Erst im März 1946 konnte er sich ausgehungert und völlig entkräftet auf den Weg nach Rom machen. Aber wie sollte er, nachdem er durch halb Europa verschleppt worden war, von einer fremden Stadt aus den Weg nach Hause finden? „Als die Russen ihn gehen ließen, ist er irgendwann den Bahngleisen gen Süden gefolgt“, sagte Bruno Petrillo dem Uckermark Kurier. Nach langen Strapazen sei er teils zu Fuß, teils mit verschiedenen Verkehrsmitteln bis zu den Alpen gelangt, die er beim Brennerpass überquert habe. Dann sei er von einem Autofahrer bis Padua in Italien mitgenommen worden. Von dort sei er mit einem Lkw bis nach Florenz weiter gekommen, um dann mit einem Güterzug nach Rom zu gelangen.

Einen Monat nachdem er in Prenzlau aufgebrochen war, konnte Giorgio Petrillo endlich, nach drei Jahren Krieg und Zwangsarbeit, seine Verlobte und die Familie in die Arme schließen. Die schlechte Versorgung besonders in den letzten Monaten der Gefangenschaft, habe dem Vater gesundheitlich sehr zugesetzt. Laut des Sohnes habe der ehemalige Gefangene nach seiner Ankunft zu Hause bei einer Körpergröße von 1,74 Meter nur noch magere 42 Kilogramm gewogen.

Wie aus einem Dokument hervorgeht, dass dem Uckermark Kurier vorliegt, war sein Gesundheitszustand so schlecht, dass italienische Behörden ihn als Kriegsinvaliden erster Kategorie einstuften. Zudem habe er sich während der Gefangenschaft mit Tuberkulose infiziert. An den Folgen der Krankheit verstarb Giorgio Petrillo im Alter von 55 Jahren im April 1972. Nur vier Monate später, im August 1972 kam sein gleichnamiger Enkelsohn zur Welt.