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Babyserie

Teil 9: Ein kleiner Piks sorgt für großen Schutz

Ratgeber / Lesedauer: 7 min

Sei es aus Angst, dass der Impfstoff den kleinen Körper zu sehr belastet. Oder aus der Annahme heraus, dass viele der entsprechenden Krankheiten kaum noch auftreten. Die Ständige Impfkommission spricht zwar Impfempfehlungen aus, die letztliche Entscheidung dafür oder dagegen liegt aber bei den Eltern.
Veröffentlicht:24.06.2013, 16:40
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Wenn Babys auf die Welt kommen, sind sie vor vielen Infektionen wie Erkältungen oder Durchfall geschützt. Das liegt an den Abwehrstoffen, die die Mutter ihrem Kind bereits im Bauch über die Nabelschnur mit auf den Weg ins Leben gegeben hat. Auch gegen Krankheiten wie Masern, Mumps oder Röteln – sofern auch die Mutter immun dagegen ist. Dieser sogenannte Nestschutz  schützt aber nicht vor allen Infektionen und hält nicht für immer. Seine Dauer ist auch abhängig davon, ob und wie lange die Mutter stillt. So oder so werden Abwehrstoffe ungefähr bis zum neunten Monat nach und nach abgebaut. Das Baby muss also ein eigenes Immunsystem aufbauen.

Immunsystem wird durch Impfstoffe nicht geschädigt

Anti-Körper gegen bestimmte Erreger bildet es, wenn  sich das Baby mit ihnen infiziert, also krank wird, – oder wenn es geimpft wird. Letzteres ist vor allem wichtig für Krankheiten, die einen schweren Verlauf nehmen können. Dazu gehören unter anderem Keuchhusten, Diphterie, Pneumokokken, Mumps oder Masern.
Viele Impfungen werden schon wenige Monate nach der Geburt als Kombination gegeben, so dass ein Piks gleich mehrfachen Schutz aufbaut. Doch gerade das verunsichert Eltern auch immer wieder. Sie fragen sich, ob das nicht zu viel ist für den kleinen Körper. Nein, sagt das Landesamt für Gesundheit und Soziales. „Babys kommen jeden Tag im häuslichen Umfeld mit einer Vielzahl von Bakterien und Viren in Berührung. Die Erregerbestandteile der Impfstoffe sind dabei nur ein ganz geringer Teil dieser Gesamtmenge, die das Immunsystem nicht schädigen, sondern im Gegenteil stimulieren“, sagt Dr. Martina Littmann, Abteilungsleiterin im Landesamt.

Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass Kinder nach einer Impfung mitunter Fieber bekommen. Auch die Einstichstelle kann rot werden, anschwellen und schmerzen. Mediziner sprechen in dem Fall von Impfreaktionen. Sie sind ein sichtbares Zeichen, dass der Körper – wie durch die Impfung beabsichtigt – Abwehrstoffe bildet, sind von kurzer  Dauer und harmlos. Treten dagegen unerwartete Symptome auf wie allergische Reaktionen, Krampfanfälle oder vielleicht sogar bleibende Krankheiten, sprechen Ärzte von Impfkomplikationen oder Impfschäden. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, sei jedoch gering. „Der Nutzen der Impfungen überwiegt bei Weitem das Risiko möglicher Nebenwirkungen“, sagt Dr. Martina Littmann.

Eltern unterschätzen seltene Krankheiten

Kinderärzte können Eltern zwar auf die Wichtigkeit der Schutzimpfungen hinweisen. Eine Impfpflicht gibt es in Deutschland aber nicht. „Es gibt nur Impfempfehlungen“, sagt Dr. Martina Littmann. In Mecklenburg-Vorpommern entscheiden sich ihr zufolge aber 95 bis 98 Prozent der Eltern dafür, ihr Kind impfen zu lassen. Die restlichen hält mitunter auch das Argument davon ab, dass viele der betreffenden Krankheiten heutzutage kaum noch auftreten. „Je mehr Menschen geimpft sind, desto seltener treten die Krankheiten auf, geraten damit in Vergessenheit und werden als harmlos eingestuft. Mögliche Nebenwirkungen einer Impfung werden so vordergründiger und kritischer diskutiert“, sagt Dr. Martina Littmann.  Dabei werde häufig vergessen, dass bestimmte Infektionskrankheiten wie beispielsweise Masern, Keuchhusten oder Mumps, nicht immer harmlos verlaufen. „Sie sind hochansteckend, können sich sehr schnell ausbreiten und schwere Folgen haben.“ Lassen sich immer weniger Menschen impfen, steigt die Ansteckungsgefahr wieder. Aber nicht immer entscheiden sich Eltern freiwillig gegen eine Schutzimpfung. Mitunter sprechen auch gesundheitliche Gründe dagegen wie Chemotherapien oder Allergien.

Wenn Eltern ihre Kinder in einer Kindereinrichtung anmelden, werden sie in MV auch nach dem Impfausweis ihrer Sprösslinge gefragt. Denn: Das Kindertagesförderungsgesetz, kurz Kifög,  hält Einrichtungen an, vor der Aufnahme eines Kindes Angaben über den aktuellen Impfstand einzuholen. Darüber hinaus könne jede Einrichtung eigene, zusätzliche Anforderungen dazu stellen – und in der Folge auch einen vollständigen Impfkalender zur Bedingung machen, das Kind aufzunehmen, sagt Dr. Martina Littmann.

Krankheiten im Überblick

Ob Pertussis, Diphterie, Meningokokken oder Poliomyelitis: Was verbirgt sich hinter den Krankheiten, für die es eine Impfempfehlung gibt?

Masern:
Die Erreger werden durch Tröpfcheninfektion, also insbesondere beim Husen, Niesen und Sprechen, übertragen. Sie schwächen die Abwehrkräfte der Patienten, so dass sie besonders anfällig für andere Erkrankungen sind wie Mittelohr- und Lungenentzündungen. Außerdem kann es zu einer Gehirnentzündung verbunden mit Krampfanfällen kommen.

Mumps:
Die Viren werden beim Husten, Niesen oder Sprechen übertragen. Im schlimmsten Fall können sich auch die Hirnhäute, Hoden oder Eierstöcke entzünden.

Röteln:
Auch diese Erreger werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Bei Kindern verläuft die Erkrankung häufig beschwerdefrei. Bei Schwangeren können die Viren jedoch das ungeborene Baby schädigen.

Haemophilus influenzae Typ B, kurz Hib:
Die Bakterien werden vorwiegend durch Tröpfcheninfektion übertragen und führen zu Entzündungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich. Eine gefürchtete Komplikation ist die Hirnhautentzündung, in deren Folge es zu Hör- oder Sehstörungen sowie geistigen Störungen kommen kann.

Tetanus:
Diese Krankheit wird auch Wundstarrkrampf genannt. Die Erreger kommen in der freien Natur vor, insbesondere in der Erde und im Straßenstaub, und gelangen über Wunden in den Körper. Die Bakterien setzen ein Gift frei, das unter anderem zu Muskelkrämpfen, Atemlähmung und Herzrhythmusstörungen führen kann.

Diphterie:
Die Erreger werden über Tröpfcheninfektion weitergegeben. Diphterie kann zu Komplikationen wie Atemnot, Erstickungsanfällen und Herzmuskelentzündungen führen. In Deutschland gibt es aufgrund der hohen Impfquote aber nur noch wenige Erkrankungen.

Keuchhusten:
Die Erkrankung wird auch Pertussis genannt und durch Bakterien ausgelöst, die die Atemwege entzünden. Die Erreger werden beim Niesen, Husten oder Sprechen durch Tröpfcheninfektion weitergegeben. Es kommt zu schweren Hustenanfällen, die im schlimmsten Fall zum Atemstillstand führen können.

Kinderlähmung:
Die fieberhafte Viruserkrankung, Poliomyelitis genannt, ist sehr ansteckend. In mehr als 95 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung ohne Anzeichen. Sie kann aber auch zu einer Hirnhautentzündung und Muskelkrämpfen führen. Aufgrund der hohen Impfquote tritt die Krankheit in Europa kaum noch auf.

Hepatitis B:
Das Hepatitis-B- Virus kann eine chronische Leberentzündung hervorrufen. Es kann auch bei der Geburt auf das Kind übertragen werden.

Pneumokokken:
Die Bakterien kommen im Nasen-Rachen-Bereich vor und werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Normalerweise sind sie harmlos. Bei einem geschwächten Immunsystem können sie aber unter anderem zu einer Blutvergiftung, Lungen- oder Hirnhautentzündung führen.

Meningokokken:
Die Bakterien können zu einer Entzündung der Hirnhäute, Lunge und zu einer Blutvergiftung führen. Übertragen werden die Erreger durch Tröpfcheninfektion, also beispielsweise beim Niesen und Husten.

Windpocken:
Die Krankheit ist sehr ansteckend. Das Virus wird meistens beim Husten oder Niesen übertragen. Mögliche Komplikationen, die auftreten können, sind eine Lungenentzündung, Gehirnentzündung und Gefäßwandentzündung. Sylvia Kuska

Rotavieren:
Erbrechen, Durchfall und Fieber – all das können die Rotaviren auslösen. Säuglinge und Kleinkinder im Alter zwischen sechs Monaten und zwei Jahren sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts besonders anfällig für die hoch ansteckenden Erreger. Das Gefährliche: Die Kinder können in kurzer Zeit viel Flüssigkeit verlieren. Das kann lebensbedrohliche Folgen haben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sowie Ärzte empfehlen Eltern deshalb, ihre Kinder gegen die Viren impfen zu lassen. Die Ständige Impfkommission, kurz Stiko, empfiehlt sie dagegen noch nicht generell. Deshalb werden bei Babys und Kleinkindern die Kosten inzwischen zwar von vielen, aber nicht von allen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Geimpft werden können Babys ab einem Alter von sechs Wochen. Die Schluckimpfung wird über mehrere Wochen verteilt in zwei bzw. drei Einzeldosen verabreicht. Sie kosten insgesamt ungefähr 150 Euro. Der Schutz hält, so das Robert-Koch-Institut, etwa zwei bis drei Jahre lang an.