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Die Tschechen und ihr Bier-Geheimnis

Pilsen / Lesedauer: 3 min

Beim Pro-Kopf-Verbrauch von Bier sind die Tschechen seit Jahren Weltmeister. Das allein macht sie jedoch noch nicht zu Experten. Es ist vielmehr die tiefe Verankerung der Bierkultur im Land.
Veröffentlicht:04.09.2014, 20:14
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Wenn sich im tiefen, kalten Kellergewölbe unter der Stadt Pilsen der Bierhahn öffnet, dann fließt dort ein Getränk ins Glas, das ein weltweites Vorbild ist. Fast alle Biere werden nämlich nach Pilsener Brauart hergestellt, worauf sich die Brauerei „Pilsner Urquell“ immer gern beruft. Doch auch Kleinstbrauereien sind in Tschechien aktiv und zeigen, was sich aus Gerstensaft so alles machen lässt.

Die Produktion von Bier ist aufwendig, obwohl es nur wenige Grundzutaten gibt: Getreide – meist ist es Gerste –, Hopfen, Hefe und Wasser. In Tschechien legt man viel Wert auf den Hopfen. Nach der Ernte Ende August werden die Hopfendolden getrocknet und zu Mehl verarbeitet und danach weltweit exportiert.

Malz ist das Produkt aus gekeimten und gerösteten Gerstenkörnern. Das wird in breite Kupferkessel – den Maischpfannen – in warmes Wasser gegeben. Dort startet ein chemischer Vorgang, bei dem Zucker so freigesetzt wird, dass er später beim Gären zu Alkohol umgewandelt werden kann. Dann kommt der Hopfen dazu. Das ist ein wesentlicher Faktor für den Geschmack. „Um unterschiedliche Geschmacksrichtungen anbieten zu können, benutzen wir acht verschiedene Sorten Hopfen“, erklärt Sabina Záková, die in Litomerice die Minibrauerei „Labut“ betreibt.

Tschechen trinken pro Kopf 145 Liter im Jahr

Zwischen Maischpfanne und Ausschank des Bieres liegt noch die Gärung. Dafür braucht jedes Bier Hefe und Zeit. „Unser junges Bier lagert drei bis vier Wochen im Fass und wird dann unfiltriert ausgeschenkt“, erklärt Záková. Bier nach Pilsener Brauart gärt bei niedrigen Temperaturen um die zehn Grad. Die ideale Zapftemperatur liegt bei acht Grad. Fließt das fertige Bier in ein frisch ausgespültes Glas und hat dann eine daumendicke Schaumkrone, so ist das laut Záková perfekt. „Man erkennt die Qualität daran, dass der Bierschaum im Glas nach jedem Schluck einen neuen Rand bildet“, sagt sie.

Während die Deutschen laut Statistischem Bundesamt 99 Liter Bier pro Kopf im Jahr trinken, sind die Tschechen mit 145 Litern Weltmeister. Die Bier-Vielfalt ist sicher ein Grund dafür. Experimentiert wird zum Beispiel mit dem Stammwürze-Gehalt. Er bezeichnet den Anteil an den aus Malz und Hopfen gelösten Stoffen vor der Gärung. Je nach Brauart ist das wenig und ergibt ein leichtes Bier wie Pils oder aber mit hohem Stammwürze-Gehalt ein Starkbier. Gemessen in der Einheit Grad Plato, steht der Stammwürze-Gehalt in Tschechien meist auf der Getränkekarte: Ein Brevnovsky-IPA hat mit 15 Grad ungefähr so viel wie ein deutsches Bockbier, das Stout mit 20 Grad liegt absolut an der Obergrenze und verleiht dem Bier einen leichten Likör-Charakter.

Frisch gezapftes tschechisches Bier gibt es nur vor Ort

Das populärste Bier ist in Tschechien nach wie vor das Pils mit einer Stammwürze von rund 11 Grad Plato. „Das tschechische Pils ist viel näher am historischen Original als deutsche Pilsbiere“, sagt Wolfgang Stempfl vom Verband der Diplom-Biersommeliers. „Es ist vollmundiger und hat mehr Körper, mehr malzige Aromen.“ Auch die Farbe sei goldener, beschreibt er das Bier.

Verbraucher in Deutschland finden in Getränkemarkten in der Regel Marken wie Pilsner Urquell, Budweiser, Staropramen oder Krusovice. Um frisch gezapftes tschechisches Bier zu genießen, rät Stempfl zu einem Ausflug ins Nachbarland. Nur dort fließt das Bier unfiltriert und ohne Pasteurisierung. Beides macht das Getränk zwar haltbarer, aber nicht ohne Verlust an Aromen. Fehlt nur noch das tschechische „Prost“ zum Biergenuss: Na zdraví!