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Hotel auf Usedom zieht nach Corona-Jahr Bilanz

Trassenheide / Lesedauer: 5 min

Im Frühjahr hatte der Nordkurier das Usedomer Hotel Kaliebe besucht. Jetzt, ein halbes Jahr später, wollten wir wissen, wie der Sommer 2021 gelaufen ist.
Veröffentlicht:17.10.2021, 10:51

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Wie hat sich das Bild doch verändert! Vor einem halben Jahr empfing Hotelchef Torsten Kaliebe den Nordkurier in einem verlassenen Restaurant ohne Gäste, ohne Mitarbeiter. Heute hat er sich eine Schürze mit der Aufschrift „Läuft“ umgebunden. Zusammen mit seinem Vater steht er zum geselligen Abend am Holzkohlegrill und serviert den zahlreichen Gästen jede Menge gebrutzelte Leckereien von Entrecôte bis heißer Ananas. „Die Urlauber lieben diese Abende, ebenso die regelmäßigen Tanzveranstaltungen mit Schlemmer-Büfett,“ weiß der Senior-Chef.

Normalbetrieb, aber noch längst keine Normalität

Man spürt die Erleichterung, die Freude der engagierten Hoteleigentümer und ihrer Mannschaft darüber, dass es endlich wieder richtig läuft. Es ist fast wieder Normalbetrieb im Familienhotel. Aber ist damit wirklich wieder alles ganz normal? Der Sommer sei gut gelaufen, sagt Torsten Kaliebe. Alle Zimmer ausgebucht, auch dank vieler Reservierungen von Stammgästen, die schon im Corona-Winter in Erwartung eines baldigen Pandemie-Endes gebucht hatten.

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Ganze 231 Tage hatte das Hotel schließen müssen, ohne jegliche Einnahmen, aber mit vielen weiterlaufenden Kosten. Kein Weihnachtsgeschäft, keine Silvester-Party, kein Oster- und auch kein Pfingstgeschäft. Dann im Mai hatte die zunehmend unter Druck geratene Landesregierung den Lockdown für Hotel- und Gastgewerbe zum 28.  Mai plötzlich aufgehoben – so kurzfristig, dass manche Einrichtung gar nicht so schnell reagieren konnte.

Die Kaliebes reagierten schnell, aber von heute auf morgen lässt sich ein mittelständisches Hotel nicht auf 100 Prozent hochfahren. Das daheim wartende Personal wurde zurückgerufen, der gesamte Komplex musste gereinigt, die Wasser- und Heizungsleitungen mussten durchgespült, das Warenlager aufgefüllt werden. Das habe eigentlich ganz gut geklappt, schätzt der Hotelchef rückblickend ein, nur bei der Getränkelieferung sei es anfangs etwas holprig zugegangen. Endlich, am 11. Juni, konnte das Haus wieder seine Pforten öffnen und empfing zum Wochenende nach dem Lockdown eine Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern als erste Gäste.

Corona-Beschränkungen haben Umsatz gedrückt

Seitdem bestimmte Hochbetrieb den Corona-Sommer 2021 in Trassenheide. Quasi bis Mitte Oktober sei das Haus ausgebucht gewesen, konstatiert Kaliebe. Dennoch: „Ein Super-Sommer wie sonst war das nicht für uns.“ Besonders die Abstandsregelung, die eine Vollbelegung des Restaurants verbot, sorgte für eher bescheidene Umsatzzahlen, vor allem aber für viel Mehrarbeit. Gewinne waren in diesem Jahr eher marginal, gibt Kaliebe zu, der im September die „Überbrückungshilfe III“ für die Zeit vom Januar bis zum 11. Juni beantragt hat. „Immerhin: Alle 20 Mitarbeiter sind nun wieder an Bord, auch die beiden Azubis.“

Nun steht die kalte Jahreszeit ins Haus. Trotz Impfungen ist die Unsicherheit groß, ob eine neue Welle wieder drastische Einschränkungen bringen könnte. Kaliebe weiß: „Selbst wenn keine neuen Schließungen kommen sollten – ganz schmerzfrei werden wir nicht über den Winter kommen.“ Was wird zum Beispiel mit den Angestellten in der umsatzarmen Saison?

Früher hatten die Mitarbeiter im Januar/Februar die in der Saison angestauten Überstunden abgefeiert. Aber im Coronajahr 2021 gab es bis Pfingsten keine einzige Überstunde. Wegen der langen Kurzarbeit fehle den Kollegen und Kolleginnen auch fast der halbe Urlaub. Und auch winterliche Bau- und Modernisierungsmaßnahmen stehen diesmal nicht an für die Belegschaft. „Dabei haben wir Arbeitszeitmodelle, die aber endlich von der Politik anerkannt werden müssten.“

Vor allem ärgert sich Torsten Kaliebe, dass die bisher in Schwerin regierende Große Koalition bis heute viele Fragen offen gelassen habe. „Zum Beispiel sollen wir selbst entscheiden, ob wir in unserem Hause 2-G oder 3-G zulassen. Die Schwesig-Regierung hat uns da einfach elegant den Schwarzen Peter zugeschoben.“

Und diese Problematik sei noch lange nicht gelöst. „Für eine Silvesterparty mit Tanz dürfen wir nur Geimpfte und Genesene hereinlassen, also müssten wir für alle, die nicht geimpft oder genesen sind, stornieren.“ Hinzu käme, dass für 2-G-Modelle auch die gesamte Belegschaft immunisiert sein müsse. „Ich darf aber als Arbeitgeber gar nicht abfragen, ob sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben impfen lassen.“

„Der Winter wird zeigen, ob alle überleben“

Corona werde die Branche noch lange prägen, sind sich die Kaliebes sicher. Während manch größeres Hotel vermutlich Vollpensions-Modelle einführen werde, um die Gäste an stärker sich zu binden, müssten einige ohnehin unter Personalmangel leidende kleine Kneipen oder Restaurants wohl aufgeben. In den Usedomer Kaiserbädern habe schon manche Einrichtung für immer geschlossen. Manche hätten die letzten Reserven mobilisiert und im Sommer einen Neuanfang versucht. „Doch der Winter wird zeigen, ob sie überleben.“

Und mit welchen Konsequenzen rechnet das Hotel-Kaliebe? „Auch wir machen uns Gedanken, wie wir künftig Durststrecken besser überstehen können“, sagt der Chef. „Wir haben zum Beispiel schon regelmäßige Ruhetage eingeführt, um mit den freien Tagen für das Personal hinzukommen.“ Ein Ruhetag im Hotel, wie soll das gehen? „An solchen Tagen tischen wir zum Beispiel in unserem Restaurant nur Hausgästen auf, und zwar nur ein einziges, aber attraktives Gericht. Das schaffe ich dann mit Vater, einem Koch und einer Servicekraft auch mal ganz allein.“