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Zelten mit Trabi und Co.

▶ Camping in der DDR war ein echtes Abenteuer

Quilow / Lesedauer: 5 min

Klappfix, „Pension Sachsenruh“, „Dübener Ei“ oder Qek – was auf ostdeutschen Campingplätzen über Jahrzehnte nicht wegzudenken war, lässt heute viele Ältere schmunzeln.
Veröffentlicht:22.07.2021, 16:15

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Mit dem B 1000 an den Balaton oder einfach nur im Trabi bis zur Ostsee knattern. Sommer bedeutete auch in Ostdeutschland Reisezeit. Heute kaum noch vorstellbar und für jüngere Generationen nahezu absurd erscheint jedoch die Vorstellung, wie eine komplette Familie mit sechs Kindern damals eigentlich in so einen Trabant-Kombi gepasst hat, um frohen Mutes die Ferien im Elbsandsteingebirge bei den Großeltern zu verbringen. Hallo? Kindersitze, Sicherheitsgurte oder auch nur Kopfstützen – damals alles kein Thema. Aber einfach in den Billigflieger oder den Leihcaravan einsteigen und weg, ging eben für die große Mehrheit der DDR-Bürger auch nicht.

Wahre Packkünstler

So wurden sie oftmals zu wahren Packkünstlern. Zumal irgendwo zwischen den ganzen Menschen ja auch noch etwas Gepäck mit musste. Doch nicht nur beim Beladen des fahrbaren Untersatzes zeigte man damals viel Kreativität. Auch die ostdeutschen Autobauer verstanden es, immer neue Urlaubsgefährte aufzurüsten – vom Dachzelt bis zum Wohnanhänger. Was zwischen 1950 und 1990 in Ostdeutschland da so alles auf Urlaubstour über die Straßen rollte, ist durchaus eindrucksvoll in der IfA-Sammlung in Quilow zu bestaunen.

Dort hat sich zudem die eine oder andere echte Rarität eingefunden. Oder haben Sie schon mal was von einem „B 1000 Caravan“ gehört, geschweige einen auf der Straße gesehen? Wenn ja, würde das eingefleischten Ost-Oldtimer-Liebhabern heute wohl die Tränen in die Augen treiben.

Einen Überblick gibt Helgo Venzke im Video (4:18 Min):

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Barkas-Caravan blieb absolute Rarität

Das kann auch Trabifreund Helgo Venzke nur bestätigen. Richtig in Serie ging dieser Aufbau nämlich nie. Lediglich acht Fahrzeuge seien in den 70er Jahren überhaupt hergestellt worden, erklärt dazu Trabi-Clubchef Jens Rüberg. Ihm sind zudem auch nur zwei Fahrzeuge bekannt, die die Zeit nach der Wende bis heute überlebt haben. Ein Fahrzeug steht in Bitterfeld – und eines eben in Quilow. Entdeckt haben die vorpommerschen Trabifreunde einst in Ungarn – klar, dass dieses gute Stück in ihrer Sammlung keinesfalls fehlen durfte.

In der großen Fahrzeughalle fügt sich direkt neben dem raren Caravan gleich das nächste Fahrzeug an, das zumindest bis zu den 1990er Jahren auf ostdeutschen Straßen eine Seltenheit gewesen sein dürfte: Der Intercamper – kurz IC – 440 wurde zwar in der DDR gebaut, war jedoch mit einem Leergewicht von schon gut 760 Kilogramm für ostdeutsche Automodelle schlichtweg zu schwer. Mit Trabi oder Wartburg hätte schlichtweg nicht die Chance bestanden, damit sicher in den Urlaub zu gelangen, obwohl er zu seiner Zeit mit nahezu allen Annehmlichkeiten ausgestattet wurde, von denen mancher in seinem eigenen Zelt so träumte.

DDR-Wohnwagen als Exportschlager

Zumal auch der Preis von rund 42.000 Ostmark selbst heute noch wahnwitzig hoch anmutet. Für niederländische Campingfreunde indes dürfte der Wohnanhänger dagegen durchaus wohlbekannt sein. Dorthin wurde der IC 440 nämlich am häufigsten exportiert. Für den finanziell angeschlagenen Planstaat war dieses Gefährt ein echter Devisenbringer.

Auf Campingplätzen von der Ostsee über den Spreewald bis zu Sandsteingebirge und Harz hingegen erhielten andere Modelle den Vorzug. Etwa der beliebte Qek in den beiden Baureihen Junior und Aero. Dieser war je nachdem sowohl für den Wartburg als auch in kleinerer Ausführung für den Trabant als Gespann geeignet. Wermutstropfen allerdings dabei: Auch auf so einen neuen Wohnanhänger mussten ostdeutsche Camper bis zu 15 Jahre warten und zudem noch sehr viel Geld investieren...

Die leichte „Kuschelkugel”

Eine weitere Besonderheit war auch der kleinste und leichteste Wohnanhänger – der Würdig 301 – auch besser bekannt als „Dübener Ei“ oder „Kuschelkugel“. Dieser wurde anfangs sogar noch von einem Privatbetrieb produziert, ehe die Reihe Anfang der 1970er Jahre verstaatlicht wurde. Heute zählt dieser Oldtimer ebenfalls zu den echten Raritäten, deren Wert stetig steigt.

Doch nicht nur bei den Wohnanhängern siegte der Einfallsreichtum. Gleiches galt ebenso für Dachzelte oder Zeltanhänger. Dazu zählt etwa der „Klappfix“ oder wie in späteren Baureihen genannte „Camptourist“. Bei Tausenden Menschen dürfte das Familienzelt noch heute untrennbar mit den damaligen Urlaubserinnerungen verbunden sein. Ebenso wie die etwas kleinere Variante, dem „Rhön“, das von 1988 bis 1990 etwa noch 1.000 Mal gebaut wurde. Auch im Ausland war der „Camptourist 6“ unter dem Namen „Alpenkreuzer“ ein Verkaufsschlager.

„Pension Sachsenruh”

Wesentlich spezieller kommt da die „Pension Sachsenruh“ daher. Das Autodachzelt konnte auf alle DDR-Fahrzeuge montiert werden – war mit rund 2.000 Ostmark aber ebenfalls kein Schnäppchen. Aber mit einem Eigengewicht von 64 Kilogramm und einer maximalen Tragkraft von 250 Kilo war es in seiner Praxis kaum zu schlagen. Wer ruhig im Zelt übernachten wollte, sollte allerdings auch den Wagenheber nicht vergessen, mit dem das Fahrzeug unter dem Zelt stabilisiert wurde.

All diese Campinggefährte sind auch in der Quilower Ausstellung zu bestaunen und wer weiß, der eine oder andere Oldtimer-Enthusiast ist damit sicherlich auch noch immer auf großer Fahrt in die Sommerferien unterwegs – also an Ostsee oder Seenplatte einfach mal die Augen offen halten, welche Schätze einem dort selbst nach über 30 Jahren noch so begegnen – Erinnerungen wecken sie so oder so ganz sicher.

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