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Amtsgericht

Haftstrafe für Anklamer Supermarkt-Schreck

Anklam / Lesedauer: 4 min

Monatelang klaute sich Patrick H. durch Anklamer Einkaufsmärkte, versetzte Verkäuferinnen in Angst und Schrecken, beleidigte Polizisten und drohte mit Prügel. Beim Schöffengericht in Pasewalk kam das gar nicht gut an.
Veröffentlicht:08.01.2021, 06:11

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Supermarkt-Schreck Patrick H. (29) sitzt seit Ende August in der JVA Stralsund, aber in seinem Leben war er schon ganz viel weiter unten als jetzt. 17 Eintragungen stehen in seinem Strafregister, sechs Suchtvermerke. Sein Lebenslauf liest sich wie die Aneinanderreihung von Abstürzen: Der erste Drogenkonsum als Kind im Alter von 11 Jahren, die erste Verurteilung wegen Diebstahls mit 14, später keinen Beruf gelernt, kein Konto, kein Wohnsitz, obdachlos, Privatinsolvenz.

Diesmal ging es im Prozess vorm Amtsgericht Pasewalk um eine Serie von Straftaten, die Patrick H. ab Mitte 2019 in Anklam begangen hatte. Die Staatsanwältin verlas gleich mehrere Anklagen unter anderem wegen räuberischen Diebstahls, Bedrohung und Beleidigung. „Er kann sich an die Zeit wegen seiner Probleme mit Alkohol und Drogen nur bruchstückhaft erinnern, lebte damals auf der Straße. Allerdings räumt mein Mandant ein, dass es so schon gewesen sein wird“, ließ Patrick H. über Pflichtverteidiger Sven Schneider erklären.

Polizist außer Dienst stoppte den Ladendieb

Seine Opfer hingegen haben allesamt ein besseres Gedächtnis. Wie mehrere Penny-Verkäuferinnen, die zusammenfassend sagten: „Bei uns wurde er mehrmals als Ladendieb erwischt, erhielt Hausverbot und kam trotzdem immer wieder. Einmal hatte er sich zwei Flaschen Bier, drei Kabanossi und ein Netz mit Zitronen in seinen Rucksack gesteckt, wollte ohne Bezahlung die Kasse passieren.“ Als die Diebstahlsicherung piepte, griff ein Polizist außer Dienst ein, stoppte Patrick H. Dann wurde es ungemütlich. Patrick H. hatte 2,49 Promille Alkohol intus. „Er biss vor meinen Augen in die Wurst, spuckte die Stücke aus. Danach drohte er, mein Auto kaputt und mir meinen Kopf breitzuschlagen“, schilderte der Beamte die Situation. Der Angeklagte räumte ein: „Ich trank damals täglich eine Kiste Bier, brauchte Geld für Drogen. Es stimmt, dass ich bei Penny Klauen war.“

Und nicht nur dort. Diebischer „Stammkunde“ war Patrick H. auch bei Nahkauf und Norma, wo er mehrere Schnapsfläschchen einsteckte. Eine zierliche Verkäuferin (22) stellte den tätowierten und stämmigen rund 110-Kilo-Mann zur Rede. „Er meinte, dass ich ihm nichts zu sagen hätte, bezeichnete mich als Schlampe, die sich verpissen solle. Ich hatte Angst, mir eine zu fangen“, berichtete die Frau. Amtsrichter Gerald Fleckenstein stellte mehrmals während des Prozesstages klar: „Wir sind hier ein Strafgericht und keine Oberaufsicht, wie Läden ihre Waren zu schützen haben.“ Zu dieser Thematik sagte eine weitere Verkäuferin: „Unsere Chefin redet uns stets ins Gewissen, bloß kein Risiko einzugehen.“

„Wahnvorstellungen“ einer „tickenden Zeitbombe“

So tobte Patrick H. monatelang durch Anklam, brüllte im Jobcenter rum, bewarf eine Kassiererin mit Cent-Stücken, trank ohne Bezahlung ungeniert Getränke in Supermärkten aus, warf anschließend die leeren Verpackungen in Verkaufsräume. Eine Beamtin beleidigte er als „Polizeischlampe“ und zeigte ihr und ihren Kollegen („Dreckschweine“) sein nacktes Hinternteil. Einmal sagte die Mutter von Patrick H. den Beamten über ihren Sohn, er habe „Wahnvorstellungen“ und sei eine „tickende Zeitbombe“.

Entscheidend fürs Urteil war jedoch eine weitere Straftat. Bei Aldi hatte Patrick H. zwei Flaschen Wodka geklaut, anschließend dem Aldi-Regionalverkaufsleiter Schläge angedroht. Der gab vor Gericht zu Protokoll: „Als ich ihn erwischte, sagte er sinngemäß zu mir, ich solle ihn in Ruhe lassen, sonst würde er mir auf die Schnauze hauen.“ Amtsrichter Fleckenstein sah Patrick H. des räuberischen Diebstahls überführt, was zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr führt.

Keine Milde für gezeigte Reue

Nach dem Hören von 14 Zeugen addierte die Staatsanwältin mehr als ein Dutzend Straftaten auf, forderte zwei Jahre und drei Monate Haft ohne Bewährung. Pflichtverteidiger Schneider aus Lutherstadt Wittenberg, der den Angeklagten bereits mehrfach vertreten hatte, sah im Plädoyer bei seinem Mandanten „viel Bagatell-Kriminalität“, für die es in der Regel „Geldstrafen“ gebe. Zudem habe sich Patrick H. im Verfahren für seine Taten entschuldigt, Reue gezeigt und sie als „riesengroße Dummheit“ bezeichnet. „Mehr als zwei Jahre Freiheitsstrafe dürfen hier nicht zusammenkommen“, meinte der Anwalt.

Das sah Amtsrichter Fleckenstein anders. Er verurteilte Patrick H., der zu den Tatzeitpunkten unter Bewährung stand, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten. Der Richter bezog allerdings ein Urteil von sechs Monaten Haft vom Amtsgericht Prenzlau mit ein. Dort hatte Patrick H. auf dem Bahnhof einem Ausländer ins Gesicht gespuckt und gepöbelt: „Euch hätte man gleich an der Grenze abstechen sollen.“

Weitere Strafverfahren stehen noch aus

Patrick H. hofft, dass er in Zukunft eine Drogentherapie machen kann. Psychiatrie und Entgiftungen hat er bereits hinter sich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Vorm Amtsgericht Prenzlau und in Berlin erwarten Patrick H. weitere Strafverfahren. Laut Pflichtverteidiger Schneider wegen ähnlicher Delikte.