StartseiteRegionalAnklam▶ Leuchtend roter Hilferuf aus Vorpommern

„Night of Light”

▶ Leuchtend roter Hilferuf aus Vorpommern

Anklam / Lesedauer: 4 min

Mit der „Night of Light“ haben Veranstalter aus der ganzen Region ein Zeichen gesetzt. Sie leiden unter der Corona-Krise und bangen um ihre Existenzen. Sogar ein Konzept haben sie entwickelt, wie künftig „sicher“ getanzt werden kann.
Veröffentlicht:23.06.2020, 17:54

Artikel teilen:

Es waren nur wenigen Hoffnungsschimmer, die Veranstalter wie René Haupt in den vergangenen Wochen und Monaten blieben. Das Anklamer Hansefest zählte dazu. Die Stadt will erst in dieser Woche über eine Absage entscheiden, die Zeichen stehen mit dem bundesweiten Verbot für Großveranstaltungen bis zum Oktober jedoch mehr als schlecht. Dennoch sei diese klitzekleine Aussicht bislang psychologisch wichtig gewesen und habe Mut gemacht, sagt Haupt der mit seiner Firma „melody events“ seit über 22 Jahren auf kaum einem größeren Fest in Vorpommern fehlt.

Wie es weiter geht, weiß er derzeit nicht. In diesem Jahr fallen seit der Corona-Krise fast alle Aufträge weg. Auch die Zukunft bleibt ungewiss. Ein Zustand, der für den 40-Jährigen am schwersten zu ertragen ist. Rund 27 Mitarbeiter beschäftigt er in Voll- und Teilzeit. Auch sie haben nun Fragen, leben mit Kurzarbeit oft am Existenzminimum. René Haupt würde ihnen gerne eine Perspektive bieten, entlassen worden sei bislang niemand, sagt er. Allerdings seien auch die privaten Rücklagen mittlerweile für die Firma nahezu aufgebraucht, die Soforthilfe vom Staat ebenfalls längst weg.

Veranstalter und Kulturschaffende senden rotes Alarmsignal

Um auf die Probleme seiner Branche aufmerksam zu machen, hatte Haupt nun am Montagabend zusammen mit zahlreichen Kollegen aus ganz Vorpommern den Anklamer Marktplatz rot erleuchtet. So wollten deutschlandweit bei der „Night of Light“ betroffene Veranstalter und Kulturschaffende ein Alarmsignal senden. In Anklam erklang dazu gegen 22.30 Uhr mehrmals eine dröhnende Schiffsglocke, um dem Appell Nachdruck zu verleihen. Auch für Marco Holtz sind es düstere Zeiten. Er ist Schausteller in der fünften Generation. Doch auch hier ist die Zukunftsfrage offen. „Die letzten großen Veranstaltungen für uns waren die Weihnachtsmärkte, seitdem haben wir keine Einnahmen mehr. Im schlimmsten Fall würden es bis zum Frühjahr 2021 15 Monate ohne Einkommen für uns sein. Das kann man nicht durchhalten“, sagt er. Auch Marco Fels hat Sorgen. Der Ziethener betreibt seine Firma „m&m event solutions“ im Nebenerwerb. Dadurch entfalle für ihn auch jegliche Hilfszahlung, erklärt er. „Ich habe zwar noch einen Hauptjob, aber trotzdem Verbindlichkeiten, die aus der Firma entstehen. Wir haben etwa gerade erst für 25 000 Euro eine neue Soundanlage angeschafft, die nun ungenutzt rumsteht“, sagt er.

Veranstalter haben gemeinsames Konzept erarbeitet

Doch die Veranstalter wollten mit der Aktion am Montagabend nicht nur auf ihre Situation aufmerksam machen, sondern haben auch Lösungsvorschläge im Gepäck. An dem Konzept hat etwa Tobias Lembke von BT-Events aus Greifswald mitgearbeitet. Mittlerweile liegt das Papier sogar Innenminister Lorenz Caffier (CDU) und Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemann (SPD) vor und soll in der kommenden Woche besprochen werden, sagt er. „Wir haben Lösungen erarbeitet, wie etwa die Registrierung von Besuchern erfolgen kann oder auch eine kreuzweise Aufteilung von Tanzflächen erfolgen kann.

Lembke ist sicher, dass dies auch umsetzbar ist. „Die Leute halten sich auch an das Maskengebot im Supermarkt. Das ist eine Gewohnheitssache“, sagt er. Generell pocht er als Vertreter der Branche darauf, Veranstaltungen mit bis zu 500 Gästen zuzulassen. „Erst dann kommen wir finanziell in einen grünen Bereich“, erklärt Lembke. Bei den aktuellen strikten Regelungen des Landes sieht er zudem die Gefahr, dass die Partygäste aus MV ihre Treffen einfach auf Brandenburg und Polen verlagern, wo die Lockerungen bislang weitreichender seien als in MV. „Das ist eigentlich für das Infektionsgeschehen durch die kompliziertere Nachverfolgung von Kontakten noch gefährlicher“, sagt er. Lembke hofft zudem auf einen zweiten Rettungsschirm, von dem auch Veranstalter profitieren können.

Auch interessant: Konzerte, Kunst und Kultur starten wieder

Enttäuscht sind die Initiatoren darüber, dass sie bei den Maßnahmen für den Tourismus bislang nicht beachtet wurden. „Wir haben einen großen Anteil daran, dass Menschen gerne in unser Bundesland kommen. Das wurde vergessen“, sagt René Haupt. Als Lehre aus der Krise müsse man über eine eigene Interessenvertretung nachdenken. „Wir haben einfach keine Lobby“, so das Resümee der Veranstalter in Anklam.