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Lkw in Menschenmenge gefahren

Stockholm im Schockzustand

Stockholm / Lesedauer: 4 min

Ein Lastwagen raste in Stockholm in eine Menschenmenge und anschließend in ein Kaufhaus. Die Polizei hat einen Verdächtigen festgenommen. Vier Menschen sollen getötet worden sein.
Veröffentlicht:07.04.2017, 15:22
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Nach Nizza und Berlin nun Stockholm: In der schwedischen Hauptstadt ist ein Mann mit einem Lastwagen in eine Menge gerast und hat mehrere Menschen getötet. Etliche weitere wurden verletzt. Ministerpräsident Stefan Löfven sagte am Freitag im schwedischen Fernsehen, alles deute auf eine Terrortat hin: "Schweden ist angegriffen worden." Die genaue Zahl der Opfer war am frühen Abend unklar. Der mutmaßliche Täter befand sich noch auf freiem Fuß. Weltweit reagierten Politiker bestürzt.

Am Abend bestätigte die Polizei dann die Festnahme eines Verdächtigen. Zudem berichteten Medien von vier Toten.  Der anscheinend gekaperte Lastwagen war kurz vor 15.00 Uhr an der Kreuzung der beiden Einkaufsstraßen Drottninggatan und Kungsgatan in eine Menschenmenge gerast. Anschließend fuhr er in ein Kaufhaus.

Ähnliches Vorgehen wie in Berlin und Nizza

Der mutmaßliche Anschlag weckt Erinnerungen an die Terrorattacken von Berlin und Nizza. Kurz vor Weihnachten 2016 hatte der 24-jährige Tunesier Anis Amri einen gekaperten Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gelenkt und zwölf Menschen getötet. Im Juli 2016 raste der 31 Jahre alte Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel mit einem Lkw auf dem Strandboulevard in Nizza in eine Menschenmenge. 86 Menschen starben. Die Terrormiliz IS reklamierte beide Anschläge für sich.

Über die genaue Opferzahl in Stockholm gab es unterschiedliche Angaben. In Medienberichten war von vier Toten und mehreren Verletzten die Rede. Reichspolizeichef Eliasson sagte: "Es gibt so viele Aussagen, die kursieren, deshalb ist es besser zu warten", fügte er hinzu. Unklar war zunächst auch, ob Deutsche unter den Opfern sind.

"Ich habe Menschen gesehen, die mit einer Decke abgedeckt wurden", sagte eine Augenzeugin. Fernsehbilder zeigten, wie Menschen von der Straße flüchteten. "Viele um mich herum waren hysterisch", erzählte eine Augenzeugin im Fernsehen. Kunden eines Modegeschäfts mussten aus Sicherheitsgründen in dem Laden bleiben.

Wie der Lkw gestohlen wurde

Der Lastwagen gehört Medienberichten zufolge der Brauerei Spendrups. Ein Sprecher sagte einem Radiosender, der Fahrer habe gerade ein Restaurant beliefern wollen. Er habe hinten am Laster gestanden, um ihn aufzuschließen, als ein Maskierter vorne in die Fahrerkabine gesprungen und weggefahren sei. Der Brauerei-Fahrer habe vergeblich versucht, den Mann zu stoppen. Die Ermittler kündigten auf ihrer Pressekonferenz an, den Fahrer nun zu befragen. Einzelheiten zum Hergang kurz vor der Tat machten sie jedoch nicht.

Die Polizei rief die Bevölkerung auf, nicht ins Zentrum der schwedischen Hauptstadt zu fahren. Die Sicherheitskräfte zeigten erhöhte Präsenz und bewachten besonders gefährdete Plätze im ganzen Land. «Es ist wichtig für uns, eventuelle weitere Angriffe zu verhindern», sagte ein Polizeisprecher. Medienberichte über Schüsse an verschiedenen Plätzen der Stadt bestätigten die Ermittler nicht.

Wichtige Gebäude in der Innenstadt riegelten die Sicherheitskräfte ab, darunter den Gebäudekomplex Rosenbad, Sitz der schwedischen Regierung, das Parlamentsgebäude und das Königsschloss. Auch die Züge im Stockholmer Zentrum standen zwischenzeitlich still. Polizeihubschrauber kreisten über dem Zentrum, schwerbewaffnete Polizisten bezogen Stellung. Alle Kinos und viele Theater in Stockholm und Umgebung stellten ihr Abendprogramm ein.

Das rät das Auswärtige Amt Touristen

Die Bundesregierung versicherte der schwedischen Bevölkerung ihre Solidarität. "Wir stehen zusammen gegen den Terror", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte erschüttert. UN-Chef António Guterres verurteilte den mutmaßlichen Anschlag: "Die Vereinten Nationen stehen solidarisch mit dem Volk und der Regierung von Schweden."

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in Brüssel: "Ein Angriff auf einen unserer Mitgliedsstaaten ist ein Angriff auf uns alle." Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte: "Die Nachrichten, die aus Stockholm kommen, sind schrecklich."

Russlands Präsident Wladimir Putin sprach Schweden sein tiefes Mitgefühl aus: "In unserem Land kennen wir die Grausamkeiten des internationalen Terrorismus nicht nur vom Hörensagen", hieß es in einem Schreiben Putins an den schwedischen König Carl XVI. Gustaf.

Das Auswärtige Amt riet Reisenden, vorerst in ihren Unterkünften zu bleiben. Sie sollten die Entwicklung der Lage über die Medien verfolgen und auf weitere Sicherheitshinweise achten, teilte die Behörde mit. Zudem solle den Anweisungen der Sicherheitskräfte unbedingt Folge geleistet werden.

Hotline für Angehörige freigeschaltet

Die schwedische Polizei schaltete eine Hotline für besorgte Angehörige frei. Sie können im schwedischen Telefonnetz unter der Nummer 11414 und der Direktwahl 9 die Polizei kontaktieren. Facebook aktivierte seinen "Sicherheitscheck". Nutzer in Stockholm können darüber Freunden mitteilen, dass sie in Sicherheit sind. Der Service war bei Terroranschlägen in den vergangenen Monaten immer wieder aktiviert worden.