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Studie zum Sexualverhalten der Deutschen

Männer geben doppelt so viele Sex-Partner an wie Frauen

Braunschweig / Lesedauer: 5 min

Was passiert in Deutschlands Betten? Eine Befragung liefert nun erstmals repräsentative Zahlen – und die überraschen.
Veröffentlicht:24.08.2017, 09:00
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Männer in Deutschland haben nach eigenen Angaben im Leben im Schnitt schon mit zehn Partnerinnen geschlafen, Frauen aber nur mit fünf Partnern. So lautet ein Ergebnis einer repräsentativen Studie zum Sexualverhalten in Deutschland, die im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht wurde. 2524 Menschen ab 14 Jahren wurden per Fragebogen befragt. Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet.

Zehn zu fünf? Auch wenn Männer sich wohl eher gerne als Verführer begreifen und Frauen als schwer zu erobern, so scheint das Verhältnis erstaunlich hoch und ist statistisch kaum zu erklären. Neu sind diese Unterschiede nicht: Solche Diskrepanzen hätten sich in der bisherigen Sexualforschung auch schon ergeben, schreiben die Forscher um die Erstautorin Julia Haversath von der Technischen Universität Braunschweig. Beteiligt waren auch Psychologen aus Hildesheim, Jena und Hannover.

Woher kommen die Unterschiede? Beim Antworten schummelten die Befragten vermutlich etwas, meinen die Psychologen, drücken es aber wissenschaflicher aus. „Selbstwertdienliche Verzerrungen und geschlechtsspezifisches Antwortverhalten“ könnte zu den unterschiedlichen Angaben beigetragen haben.

Acht Prozent der Männer waren bei Prostituierten

Arne Dekker vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), der nicht an der Studie beteiligt war, hat eine ähnliche Erklärung: „Sie inszenieren damit auch ihre Geschlechterrollen“, sagt er. Manche Männer glauben, es sei attraktiv und gesellschaftlich anerkannt, viele Sexpartner zu haben, bei Frauen sei oft das Gegenteil der Fall. Dass Männer doppelt so viele Partnerinnen im Bett haben sollen wie Frauen Partner sei aber durchaus „ein großer Unterschied“, räumt Dekker ein. „Man würde ja denken, es sollte irgendwie aufgehen.“

Einer der statistischen Faktoren könnte sein, dass acht Prozent der befragten Männer schon zu Prostituierten gegangen sind. Diese Gruppe hatte im Mittel mit vier Prostituierten sexuellen Kontakt. Die Forscher fragten zudem nicht, ob die Teilnehmer Sex im Ausland hatten.

Die Studie bietet über das sexuelle Selbstbild der im Schnit 48,5 Jahre alten Befragten hinaus noch weitere Erkenntnisse aus den Betten der Republik. Die meisten Menschen – das überrascht kaum – haben Erfahrungen mit Vaginalverkehr gemacht: 88 Prozent der Männer und 89 Prozent der Frauen hatten schon solchen Sex. Oral befriedigt wurden schon einmal 56 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen.

Am sexuell aktivsten sind die Endzwanziger

Die große Mehrheit der Männer (86 Prozent) und Frauen (82 Prozent) gaben an, heterosexuell zu sein. 5 Prozent der Männer und 8 Prozent der Frauen hatten schon einmal gleichgeschlechtliche Kontakte. Jeweils ein Prozent gab an, rein homosexuell zu sein. Einige machten keine Angaben oder gaben an, dass keine dieser Kategorien zutreffe.

Am sexuell aktivsten ist erwartungsgemäß die Gruppe der 25- bis 29-Jährigen. In diesem Alter haben Männer nach eigenen Angaben im Schnitt 60 Mal Vaginalverkehr pro Jahr, Frauen 47 Mal. Danach sinkt die Häufigkeit stetig ab: Männer im Alter von 50 bis 59 Jahre haben demnach 34 Mal pro Jahr solchen Sex, Frauen 22 Mal.

Und wie halten es die Menschen in Deutschland mit der Treue? Auch hier gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau: Eigenen Angaben nach ist rund jeder fünfte Mann (21 Prozent) in einer Partnerschaft schon einmal fremdgegangen. Bei den Frauen betrug der Anteil 15 Prozent.

Erstmals repräsentative Angaben zum Sexualleben der Deutschen

Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) hatte einen festen Partner. 76 Prozent verhüten in ihrer Beziehung nie mit Kondomen. In etwa jede zweite Frau (51 Prozent), die 50 Jahre oder jünger ist, nimmt die Pille oder ähnliche orale Verhütungsmittel. 5 Prozent verzichten auf Verhütung, weil sie einen Kinderwunsch haben.

Hintergrund der Befragung: Nach Angaben der Autoren fehlen in Deutschland bevölkerungsbasierte Daten zur Häufigkeit von verschiedenen sexuellen Verhaltensweisen. Die aber seien wichtig, „besonders in Bezug auf die Prävention und Behandlung sexuell übertragbarer Infektionen“.

Das sieht der Hamburger Forscher Dekker ähnlich. Er wertet die Studie als „kleine, verdienstvolle Ergänzung, die erstmals repräsentative Angaben zum Sexualleben der Gesamtbevölkerung macht“. Aber Rückschlüsse auf die Verbindungen von Sexualverhalten und medizinischen Fragen erlaube sie kaum. Dafür seien die Daten nicht kleinteilig genug. Hierfür bräuchte es stattdessen „große Bevölkerungsstudien“ zum Sexualverhalten, wie es sie in anderen europäischen Ländern gebe, sagt Dekker.

Regelmäßige sexualmedizinische Untersuchung empfohlen

Sorgen machte den Forschern eine kleine Gruppe der Befragten (2,5 Prozent): Sie gaben an, während ihrer aktuellen Beziehung sexuelle Außenkontakte und generell schon ungeschützt Sex mit anderen Personen außerhalb der Partnerschaft gehabt zu haben sowie in ihrer Beziehung nicht immer Kondome zu nutzen. Für die Forscher gehören die Menschen zu einer „Hochrisikogruppe“, weil sie einer höheren Gefahr ausgesetzt sind, an einer sexuell übertragbaren Infektion wie HIV, Gonorrhö oder Syphilis zu erkranken. Jene Personen hatten außerdem dreimal so viele Sexpartner wie der Durchschnitt: Männer 38, Frauen 17.

Generell empfehlen die Autoren der Studie: Wer bei wechselnden Sexpartnern nicht ständig Kondome benutzt, sollte sich regelmäßig sexualmedizinisch untersuchen lassen. Routinemäßige Untersuchungen könnten bei einigen Personengruppen dazu beitragen, die Verbreitung sexuell übertragbarer Infektionen zu begrenzen. Für Dekker zeigen sich hier die Grenzen dieser Studie: „Das wussten wir, ehrlicherweise, auch schon vorher.“