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Corona-Krise

Parteitage im Risikogebiet Berlin – muss das sein?

Berlin / Lesedauer: 4 min

Bundesweit gibt es steigende Corona-Zahlen, ein "Lockdown Light" ist im Gespräch und die Politik mahnt Bürger, ihre Kontakte einzuschränken. Das scheint bei einigen Parteien im Risikogebiet Berlin nicht angekommen zu sein.
Veröffentlicht:27.10.2020, 18:07
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Die Zahl der Corona-Infektionen in Berlin steigt weiter rasant, die Politik ruft die Bürger dringend auf, Kontakte und damit Ansteckungsgefahren zu meiden. Dennoch halten Berliner Parteien an ihren in den nächsten Tagen oder Wochen geplanten Präsenzparteitagen mit teils mehreren Hundert Teilnehmern fest. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.

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Sowohl die Landesdelegiertenversammlung der Grünen an diesem Mittwoch wie auch der SPD-Parteitag am Samstag sollen demnach unter strengen Abstands- und Hygieneauflagen stattfinden. Die SPD will bei ihrem Treffen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Fraktionschef Raed Saleh als neue Doppelspitze wählen. Auch bei den Grünen steht eine Vorstandswahl an, bei der sich die bisherige Doppelspitze Nina Stahr und Werner Graf zur Wiederwahl stellt.

Rechtlich gesehen sind Parteitage erlaubt

Die Parteitage der FDP (14.11.) und der Linken (5.12.) werden nach Angaben aus den Parteizentralen abgespeckt und sollen statt zwei- nur noch eintägig stattfinden. Die AfD möchte am 7./8. November ihren Vorstand neu wählen. Weil die Partei schon viele Monate keine Räumlichkeiten für einen Parteitag fand, wird sie derzeit von einem Notvorstand um den Europaabgeordneten Nicolaus Fest geführt.

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Berlins Parteien bewegen sich damit auf Grundlage der geltenden rechtlichen Regelungen. Sie fahren aber eine andere Linie als etwa die Bundes-CDU oder die SPD in Sachsen-Anhalt, die in diesem Jahr geplante Präsenzparteitage mit Blick auf die sich zuspitzende Infektionslage verschoben haben. Begründet wird das von Parteisprechern in der Hauptstadt vor allem mit einer Notwendigkeit, nach der Absage von Parteitagen im Frühjahr neue Vorstände zu wählen und andere Personalien zu klären. Das sei ohne weiteres nicht digital möglich.

Demokratie als Begründung

„Diese Wahlen jetzt nicht durchzuführen, würde die rechtlich erforderlichen Abläufe erheblich erschweren”, erklärte Grünen-Sprecher Johannes Frericks. „Zumal zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen ist, wann sich die Voraussetzungen für Präsenzveranstaltungen wieder bessern werden.”

Etwas grundsätzlicher äußerte sich SPD-Sprecherin Claudia Kintscher. „Parlamente tagen weiter und Menschen gehen weiter für ihre Interessen auf die Straße. Auch Parteien sind ein wichtiger Teil der Demokratie”, sagte sie. „Wir müssen zeigen, dass dieser Bereich der Demokratieausübung und politischen Willensbildung in Krisenzeiten nicht minder funktioniert. Dabei ist ein Parteitag ein wesentliches Element im Prozess der demokratischen politischen Willensbildung.” Die Demokratie sei kein „nice to have” und ein Parteitag nicht einfach nur ein Event.

Andererseits: Die Bundes-CDU hat mit dem verschobenen Parteitag bewiesen, dass solche Veranstaltungen auch ein anderes Mal stattfinden können.

AfD spricht von „Corona-Kommunismus”

Bei fast allen Veranstaltungen außer der der AfD gelten den Angaben zufolge recht strenge Hygienekonzepte. Dazu zählen Sicherheitsabstand, Maskenpflicht für alle Teilnehmer, ein Leitsystem für Gänge und Flure und die Erhebung von Daten zur Kontaktnachverfolgung. Die FDP lässt zu ihrem Parteitag nur stimmberechtigte Mitglieder zu und will diese womöglich sogar in zwei getrennten Räumen platzieren. Auch bei der SPD dürfen keine Gäste teilnehmen. Die Hauptstadt-CDU hatte von vornherein darauf verzichtet, in diesem Jahr noch einen Parteitag anzuberaumen.

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AfD-Sprecher Ronald Gläser sagte hingegen: „Die Parteien, die hinter Plexiglasscheiben, Maskenzwang auf dem Kudamm oder Sperrstunde stehen, sollen das gerne selbst praktizieren. Wir sind erwachsene Bürger und brauchen keinen Corona-Kommunismus, um uns vorsichtig und der Gefahr gegenüber angemessen zu verhalten.”

Ob alle Parteitagspläne in den kommenden Tagen und Wochen aufgehen, bleibt indes offen. „Natürlich beobachten wir die aktuelle Lage weiter ganz genau und bereiten uns parallel auf einen Plan B und kurzfristige Änderungen vor”, sagte Linke-Sprecherin Diana Buhe. „Die Gesundheit aller Teilnehmenden steht bei unseren Überlegungen an erster Stelle.”