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Tipps für Eltern

Krankes Kind, strenger Chef: Was tun?

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Zehn Erkältungen pro Jahr gelten bei Kindern als normal. Magen- und Darm-Grippe, Windpocken und Co. sind da nicht mitgerechnet. Für berufstätige Eltern kann das zum Problem werden, wenn der Arbeitgeber kein Verständnis zeigt.
Veröffentlicht:27.11.2014, 16:59
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Manchmal ist es wie verhext: Gerade wenn im Job so viel Arbeit ansteht, wird das Kind krank. Und schon gehen die Grübeleien los: Welcher Partner kann zu Hause bleiben? Was tun, wenn der Chef Stress macht? „Jeder Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, von der Arbeit freigestellt zu werden, wenn sein Kind krank ist“, sagt Michael Henn vom Verband deutscher Arbeitsrechts-Anwälte in Stuttgart.

„Den rechtlichen Rahmen dafür geben Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und Paragraf 45 des Sozialgesetzbuchs V.“ Der erste, Paragraf 616, sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer, der unverschuldet fehlt – und dazu gehört auch die Erkrankung eines Kindes – Anspruch auf Lohnfortzahlung hat. „Und zwar bis zu fünf Tage im Jahr.“ Erforderlich dafür ist ein ärztliches Attest. „Allerdings schließt nicht jeder Arbeits- und Tarifvertrag diesen Paragrafen ein“, sagt Henn. „Falls nicht, greift automatisch Artikel 45 des Sozialgesetzbuches.“ Dieser besagt, dass jeder Elternteil von pflegebedürftigen Kindern unter zwölf Jahren sich zehn Tage pro Jahr für die Betreuung freinehmen darf, bei Alleinerziehenden sind es 25 Tage. „Hier gibt es dann aber keine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber, sondern Kinderkrankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse.“ Nachteil für Privatversicherte: Sie haben diese finanzielle Absicherung nicht. Wäre es auch eine Option, sich selbst krankzumelden? „Das ist Betrug und kann zur fristlosen Kündigung führen“, warnt Henn. Im Notfall, zum Beispiel wenn bereits alle Krankentage aufgebraucht sind, sei unbezahlter Urlaub eine bessere Überbrückungsmöglichkeit. „Auf Dauer ist häufiges Fehlen aber schon problematisch für den Betrieb“, gibt Henn zu bedenken.

Juliane Ade, Rechtsanwältin und Mediatorin aus Berlin empfiehlt berufstätigen Eltern deshalb viel Transparenz: „Ich rate dazu, das Problem des häufigen Fehlens möglichst früh beim Arbeitgeber anzusprechen.“ Insbesondere wenn dieser den Anschein erweckt, damit ein Problem zu haben. „Oft merkt man ja schon ganz unterschwellig, wenn der Chef kein wirkliches Verständnis für die Situation hat.“ Im schlimmsten Fall droht dann nämlich ein Teufelskreis: „Erst ist es nur die Unzufriedenheit über das häufige Fehlen, dann kommt vielleicht Kritik an der Arbeit hinzu, und irgendwann entsteht ein brenzliges Gemenge von Kritikpunkten.“

Ist das Kind erneut krank, gibt es dann schnell dicke Luft. „Ein frühzeitiges, offenes Gespräch kann helfen, dieser negativen Spirale vorzubeugen“, sagt Ade. Bei einem bekannterweise schwierigen Chef kann es sinnvoll sein, sich beraten zu lassen, zum Beispiel durch den Betriebsrat. Wie familienfreundlich ist die Firma? Welche Erfahrungen haben andere Mitarbeiter gemacht? „Es ist wichtig, das Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, um vielleicht auch neue Lösungsansätze zu finden“, sagt Ade.

Extraschichten sind
nicht Pflicht

Fordert der Chef Überstunden und Extraschichten, müssten Arbeitnehmer sich darauf rein rechtlich nicht einlassen: „Außer sie halten diese selbst für eine gute
Lösung“, sagt Henn, der noch andere Kompromisse nennt: „Vielleicht ist aber eine Gleitzeitregelung eine Erleichterung oder ein Arbeitszeitkonto.“

Wer häufig fehlt, sammelt auch bei den Kollegen keine Pluspunkte. Sie müssen meist die Arbeit auffangen, die liegen bleibt. „Auch hier kann man gezielt schlechter Stimmung vorbeugen“, sagt Juliane Ade. „Klären Sie Ihre Kollegen über wichtige Aufgaben und Termine auf, machen Sie nach Ihrer Rückkehr eine kleine Lagebesprechung.“ Entschuldigen müsse man sich für das Fehlen nicht: Aber Anerkennung in Form eines ehrlich gemeinten Dankeschöns schade nicht.