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Studieren ohne Hochschulreife

Ohne Abi an die Uni: kein Problem

Landshut / Lesedauer: 4 min

Noch mal was Neues wagen: Nach einigen Jahren im Beruf ein Studium anfangen – und das ohne Abitur. Möglich ist das mittlerweile in allen Bundesländern. Doch der Start ist für Berufserfahrene nicht leicht.
Veröffentlicht:28.03.2015, 00:00
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Am ersten Studientag war Jürgen Schwab alles andere als zuversichtlich. „Ich hatte viele Sorgen“, erzählt er. Da war zum Beispiel die Angst, dass Abiturienten ein Spezialwissen haben, das ihm als Realschüler fehlt und das er mit Berufserfahrung nicht wettmachen kann. Und da war die Befürchtung, sich nicht wohlzufühlen unter den vielen 19-Jährigen, die frisch von der Schule kommen.

Jürgen Schwab studiert heute Jura an der Universität Passau – obwohl er nie Abitur gemacht hat. Das Studium war sein Traum. Mit 27 Jahren hat er sich eingeschrieben. Möglich macht das ein Passus in der Zulassungsordnung der Universität, nach dem Bewerber die fehlende Hochschulreife mit Berufserfahrung und bestimmten Weiterbildungen wettmachen können. 2009 gab es einen Beschluss der Kultusministerkonferenz, dass beruflich Qualifizierten ohne Abitur der Weg an die Hochschule erleichtert werden soll. Diese Empfehlung haben die Länder in ihre Landeshochschulgesetze aufgenommen. Doch immer noch sind die Zugangsvoraussetzungen je nach Bundesland und Hochschule
sehr verschieden.

Interessierte stehen vor einigen Problemen

Studenten ohne Abitur sind an den Hochschulen die Ausnahme: „Derzeit sind es etwa 2,5 Prozent aller Studienanfänger“, sagt Jessica Heibült von der Universität Bremen, die zum Thema forscht. Sie hat für eine qualitative Studie Interviews mit 38 Studenten ohne Abi geführt. Danach kämpfen viele mit den gleichen Problemen: Zum einen erfuhren fast alle Interviewten aus reinem Zufall davon, dass es möglich ist, auch ohne Abitur ein
Studium aufzunehmen.

Das Nächste ist, dass viele Berufstätige mit Studienwunsch nicht genau wissen, wo sie sich hinwenden können. Während es für Schüler viele Hilfsangebote gibt, um den Weg an die Hochschule zu finden, gibt es für Berufstätige ohne Abitur kein standardisiertes Verfahren. Und schließlich bleibt die Frage: Wie das Ganze finanzieren?

Schwab hätte nicht im Traum daran gedacht, dass er als Realschüler mal in Passau Jura studieren könnte. Er kam über Umwege ans Ziel: Er fand in Österreich einen Fernstudiengang in österreichischem Recht, an dem er teilnehmen konnte. Über eine seiner früheren Weiterbildungen kannte er einen Professor der Rechtswissenschaft aus Passau. Dem schrieb er eine E-Mail, dass er gerne Jura studieren wolle, er aber nur die Möglichkeit des Fernstudiums in Österreich sehe. Der Professor schrieb dem Prüfungsamt und schilderte Schwabs Fall – und das gab überraschend sein Okay. Das war 2012.

Nicht immer muss der Weg zum Studium ohne Abi-tur so verschlungen sein. Wer sich dafür interessiert, kann sich zum Beispiel bei den Arbeitsagenturen sowie den Kammern über die Zulassungsvoraussetzungen beraten lassen, sagt Kim Maureen Wiesner, zuständig für das Thema beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Wer schon weiß, an welche Hochschule er möchte, geht dort am besten direkt in
die Studienberatung.

Bleibt das Problem mit der Finanzierung: „Als erstes würde ich nachfragen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass der Arbeitgeber das Studium finanziell unterstützt“, rät Wiesner. Gerade Großbetriebe sind häufig sehr interessiert daran, dass ihre Mitarbeiter sich weiterbilden. Dann gibt es speziell für Studenten mit Berufserfahrung Stipendien: Dazu gehört zum Beispiel das Aufstiegsstipendium des Bildungsministeriums. Auch Jürgen Schwab machte sich große Sorgen um seine Finanzierung. Er hat zwar das Aufstiegsstipendium bekommen – doch mit den 750 Euro pro Monat kann er den Lebensunterhalt seiner Familie noch nicht bestreiten.

Schwab ist jetzt im fünften Semester Jura. Anderen, die ohne Abitur an die
Hochschule wollen, will er Mut machen. „Es auf dem dritten Bildungsweg zu versuchen, das geht“, sagt er. „Es ist kein Hexenwerk. Es kommt nur auf die
Einstellung an.“