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„Der Rote Gott”

Ausstellung beleuchtet Stalin-Kult in der DDR

Berlin / Lesedauer: 4 min

Einstudierte Lobgesänge, gigantische Aufmärsche – die DDR-Oberen ließen in den Anfangsjahren nichts aus, damit ihr Volk dem „besten Freund” Josef Stalin Treue schwört.
Veröffentlicht:19.01.2018, 09:30
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Tonnenschwer und riesengroß – eine einst geschleifte Stalin-Figur entdeckten Historiker auf dem Hof eines Unternehmers in der Mongolei. Die viereinhalb Meter hohe Bronze-Statue wird nun Teil einer neuen Ausstellung in der Berliner Stasiopfer-Gedenkstätte. Am kommenden Dienstag soll das Standbild des sowjetischen Diktators in der Hauptstadt eintreffen. Die Schau „Der Rote Gott – Stalin und die Deutschen” setzt sich mit dem Personenkult um Stalin in der frühen DDR auseinander. Ab Freitag (26. Januar) ist die Sonderausstellung für Besucher frei zugänglich.

Dass ein Diktator und Massenmörder so vergöttert werden konnte, sei heute nur noch schwer zu verstehen, sagt der Leiter der Gedenkstätte, Hubertus Knabe. Auf erschreckende Weise werde deutlich, wie manipulierbar Menschen seien.

Stalin als großes Vorbild

Anhand von Büchern, Plakaten, gefälschten Fotos, Propagandafilmen und zahlreichen Objekten wird dokumentiert, wie die SED-Führung unter Walter Ulbricht alles daran setzte, die Ostdeutschen auf den sowjetischen Partei- und Regierungschef Josef Stalin als großes Vorbild einzuschwören – mit Massenaufmärschen und absurden Huldigungen für den „größten Genius unserer Epoche”.

„Schon bei der Biografie Stalins wurde geschönt und gefakt – wir stellen die historischen Fakten entgegen”, sagt Ausstellungsleiter Andreas Engwert bei einem ersten Rundgang. So habe Stalin selbst sein Geburtsdatum verändert und sich ein Jahr jünger gemacht: offiziell wurde er demnach 1879 geboren, in Wirklichkeit aber 1878. Zu den Tatsachen gehört auch eine von Stalin mit rotem Stift unterzeichnete Todesliste, die für den Großen Terror in den 30er Jahren in der Sowjetunion steht, dem Hunderttausende zum Opfer fielen.

Nach dem Moskauer Exil während der Nazizeit sei Ulbricht zusammen mit Wilhelm Pieck, dem ersten DDR-Präsidenten, Fackelträger des Stalinismus gewesen, so Engwert. Eine Folge sei das Gefängnis Hohenschönhausen gewesen, zunächst zentrale Untersuchungshaft der sowjetischen Besatzer, dann der Stasi, der DDR-Geheimpolizei.

Schauprozesse der SED

Wer sich der Stalin-Propaganda verweigerte, konnte schnell im Gefängnis landen. Abgeurteilt in Schauprozessen der SED, traf es immer wieder die eigenen Genossen. „Geständnisse” seien erpresst worden. Die neue Partei sei so von vermeintlichen Verrätern und Abtrünnigen gesäubert worden – nach sowjetischem Vorbild. Historiker Engwert betont: Stalinismus war ein politisches System. Ausgestellt ist auch die abgeschabte Jacke eines politischen Häftlings. „Mich berührt das Schicksal der Opfer immer wieder”, sagt der 49-Jährige.

„Studiert Stalin – lernt von Stalin – kämpft mit Stalin” steht auf einer Liste mit etwa 20 Losungen für einen Aufmarsch in Ost-Berlin. „Absurd, krass”, so der Historiker. Der 70. Geburtstag Stalins sei im Ostblock mit gigantischen Kundgebungen begangen worden. Und aus Ost-Berlin wurde das Modell einer U-Bahn im Glaskasten mit dem Spruch „Dem Aufrichtigen Freund des Deutschen Volkes” nach Moskau geschickt. Das Geschenk kam nun aus einem Moskauer Museum wie der mongolische Bronze-Stalin als Leihgabe nach Berlin.

Vaterfigur Stalin sollte Menschen ans SED-System binden

Über die „Vaterfigur Stalin” sollte versucht werden, Menschen an das SED-System zu binden, stellt der Historiker fest. Gerade junge Frauen und Männer, die nach dem Krieg neu beginnen und die zerstörten Städte aufbauen wollten, seien auf diese Weise missbraucht worden. „Es war der Glaube an die gute Sache, die blind macht.” Der importierte Stalinismus schlug sich auch in Stalin-Parks, Stalin-Seen und der Berliner Stalin-Allee nieder.

Aufgespürt haben die Ausstellungsmacher auch einen Entwurf aus dem Jahr 1951 für ein neues Stadtzentrum in Ost-Berlin – wieder nach sowjetischem Vorbild. Ein riesiger Regierungspalast im Zuckerbäckerstil sollte gebaut werden – nahe dem jetzt neu entstehenden Stadtschloss. Dafür sei auch der Abriss des Berliner Doms einkalkuliert worden, so Engwert. Doch dazu kam es nicht.

Stalinstadt in Brandenburg

An einer Wand prangt ein gelbes Ortsschild. Stalinstadt steht darauf. Die sozialistische Musterstadt im heutigen Brandenburg wurde nach dem Tod des Diktators 1953 so benannt, erst Jahre später wurde Eisenhüttenstadt daraus. Auch ein wuchtiger Stalin-Kopf aus Bronze ist zu besichtigen. Als die Verbrechen Stalins bekannt wurden und er als Denkmal nicht mehr taugte, wurde er in Gera vom Sockel genommen. Interessanterweise überdauerte er in einem Museumsdepot die DDR.

Am Ende des Rundgangs ist ein Interview des SED-Machthabers Ulbricht zu hören, auf dessen Konto auch der Bau der Mauer ging. Einem westlichen Journalisten beteuert der SED-Chef: „Es gab und es gibt keinen Stalinismus in der DDR”. Für Historiker Engwert ist das eine „Verfälschung der Geschichte”.