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Interview

Verfassungsschutzchef: Wir beobachten Identitäre, nicht die AfD

Potsdam / Lesedauer: 4 min

Der scheidende Verfassungsschutzchef Carlo Weber sieht weiterhin Islamisten und Rechtsextreme als größte Bedrohung in Brandenburg. Seinem Nachfolger wünscht er mehr Befugnisse.
Veröffentlicht:28.12.2017, 18:16
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Brandenburg hatte in der Vergangenheit ein besonderes Problem mit Islamisten. Gilt dies weiterhin?

Das ist nach wie vor im Land ein aufwachsendes Phänomen mit immer neuen Beteiligten. Brandenburg war lange Zeit eine Hochburg vorrangig für kaukasische Extremisten, etwa aus Tschetschenien. Durch die Flüchtlingswelle haben wir jetzt auch andere Nationalitäten: Von Afghanen über Menschen aus dem arabischen Raum bis zu den nordafrikanischen Ländern. Wir zählen inzwischen 130 Islamisten, darunter etwa 100 streng orthodoxe Salafisten. Zu den Gefährdern zählt die Polizei eine niedrige zweistellige Zahl.

Gelingt denn die Überwachung dieser Gefährder?

Uns spielt dabei in die Karten, dass ein Teil dieser Gefährder gar nicht im Land ist. Sie befinden sich im Ausland, sind aber bei uns registriert für den Fall, dass sie wieder einreisen. Einige sind im Gefängnis, wo die Überwachung funktionieren sollte. So ist das eine sehr überschaubare Zahl von Gefährdern, die überwacht werden müssen.

Der G20-Gipfel in Hamburg hat den Fokus auch wieder auf den Linksextremismus gelenkt. Ist das auch in Brandenburg zu spüren?

Wir wissen, dass sich auch Autonome aus Brandenburg in Hamburg aufgehalten haben. Wir haben aber keine konkreten Erkenntnisse, dass sie auch Straftaten begangen haben. Das mag sich im Laufe der Ermittlungen noch ändern. Aber wir können schon sagen, dass Brandenburg kein Hotspot des Linksextremismus ist. Dazu gehören eher die großstädtischen Milieus in Berlin oder Hamburg.

Wir müssen dieses Feld auch beobachten, aber der Linksextremismus zählt zu unseren geringeren Sorgen. Das ist aber auch eine Aufgabe der Gesamtgesellschaft. Was mir aber nicht gefällt ist, dass Rückzugsräume bestehen und Solidarität mit Linksextremisten ausgesprochen wird. Da müssten bestimmte gesellschaftliche Kreise darüber nachdenken, ob da nicht besser Ächtung angezeigt wäre. Dem gewaltbereiten Linksextremismus muss das Wasser abgegraben werden, statt ihn zu unterstützen. Das ist wirkungsvoller, als den Verfassungsschutz auf den Plan zu rufen.

Beim Rechtsextremismus gibt es aber wieder Zulauf, besonders in Südbrandenburg. Das zeigte doch auch das massive Auftreten von Rechtsextremisten in der Fanszene von Energie Cottbus.

Ja, aber der Verein ist ernsthaft bemüht und grenzt sich deutlich ab. Er hat dabei auch unsere Unterstützung. Da bin ich durchaus guter Dinge, dass diese Erscheinungen in den Griff zu bekommen sind.

Aber wir haben dort andere Szenen mit Kampfsport- und Türsteher-Milieu, wo eine Vermischung von Rechtsextremismus und Organisierter Kriminalität zu beobachten ist. Das hängt auch von den Führungspersonen ab. In Südbrandenburg haben wir auch eine Verbindung nach Sachsen, wo der Rechtsextremismus ein stärkeres Phänomen ist. Dadurch ist Südbrandenburg im Gegensatz zu anderen wechselnden rechten Szenen ein Dauerbrenner, wenn man ehrlich ist.

Ist dort auch die Identitäre Bewegung sehr aktiv?

Ja, auch da haben wir einen Hotspot in Cottbus. Das ist ja eher ein studentisches Klientel. Und da gibt es einen Anführer, der an der BTU Cottbus studiert. Und dann bildet sich da etwas heraus.

Gibt es da nicht auch Verbindungen zur AfD?

Es gibt in der Partei persönliche Verbindungen zu Identitären. Und es gibt einzelne schrille Stimmen in der AfD, die sich eine gemeinsame politische Bewegung wünschen. Aber bislang haben wir keine Anhaltspunkte dafür, dass diese schrillen Stimmen den AfD-Landesverband so prägen, dass wir die Partei beobachten müssten. Wir beobachten die Identitären und daher auch ihre Verbindungen – aber das ist keine Beobachtung der AfD.

Sie gehen zum Ende des Jahres in Ruhestand. Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger, der noch nicht feststeht?

Ich wünsche vor allem dem Innenminister Schröter, dass er die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes durch das parlamentarische Verfahren bringt und unsere Befugnisse zumindest auf das Level des Bundesdurchschnitts erweitert. Da geht es zum Beispiel um den Einsatz von Technik zur Ortung von Mobiltelefonen, Bestandsdaten der Telekommunikations-Unternehmen und Auskünfte von Kreditinstituten, um Extremismus und Terrorismus wirksam entgegen zu treten. Die Zeiten haben sich geändert – die Rechtslage muss dem Rechnung tragen.