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Gefängnisausbrüche

Vorschlaghämmer in Haftanstalt Plötzensee waren ungesichert

Berlin / Lesedauer: 3 min

Nach Weihnachten flohen vier Gefangene aus Plötzensee. Nun zeigt der Bericht einer Untersuchungskommission: Ausbruchswerkzeug war offen zugänglich.
Veröffentlicht:19.03.2018, 19:05
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Knapp drei Monate nach dem spektakulären Ausbruch von mehreren Strafgefangenen aus dem Berliner Gefängnis Plötzensee hat ein Untersuchungsbericht beträchtliche Sicherheitsmängel offengelegt. Vorschlaghämmer hätten in der unübersichtlichen Kfz-Werkstatt in einem ungesicherten Regal gelegen, heißt es in dem Bericht einer Expertenkommission, aus dem die dpa zitiert. Auch Kuhfüße – eine Art Brecheisen – seien offen zugänglich gewesen.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) war zu Jahresbeginn heftig unter Druck geraten, als innerhalb weniger Tage insgesamt neun Häftlingen – auch aus dem offenen Vollzug – die Flucht gelang. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) beauftragte Behrendt, dem rot-rot-grünen Senat eine genaue Untersuchung vorzulegen. Der Justizsenator setzte eine Expertenkommission ein.

Vier Häftlinge hatten sich kurz nach Weihnachten mit Vorschlaghammer, zwei Flexgeräten und einer Hydraulikpresse aus der Kfz-Werkstatt aus dem Heizungsraum den Weg in die Freiheit gebahnt. Sie schraubten das Gitter des Lüftungsschachtes ab, schlugen einen Betonpfosten ab, durchtrennten die Stahlarmierung, entkamen durch die Öffnung in der Außenwand und krochen unter einem Maschendrahtzaun hindurch.

Ständige Kontrolle der Gefangenen in der Werkstatt unmöglich

In dem Bericht heißt es, die Tür zum Heizungsraum müsse häufiger unverschlossen gewesen sein. Mitgefangene hätten angegeben, er sei ein „perfekter Ort zum Kiffen” gewesen. Zudem soll schon vier Wochen vor der Flucht ein Bediensteter bemerkt haben, dass die Schrauben des Lüftungsgitters gelockert worden seien.

Hierzu liefen noch Ermittlungen. In der Kfz-Werkstatt mit mehreren Hallen und Nebenräumen sei eine ständige Kontrolle der Gefangenen unmöglich oder nur mit extrem hohem Personalaufwand leistbar. Die vier Strafgefangenen hatten sich zum Teil wieder gestellt oder waren festgenommen worden. Sie wurden getrennt in anderen Strafanstalten untergebracht.

Empfohlen wird in dem Bericht, die Außenfront des Gefängnisses stärker zu sichern. Die Arbeit der Gefangenen in der Werkstatt sollte neu organisiert werden. Alle Werkzeuge müssten erfasst und täglich kontrolliert werden, ob alle Werkzeuge da sind.

Krasse Mängel auch in JVA Tegel

Aus der Justizvollzugsanstalt in Tegel war Mitte Februar ein Libyer auf der Unterseite eines Lastwagens entkommen. Er hatte mit einer Attrappe seiner Person aus Kleidung, Stoffresten und Toilettenpapier in seinem Zellenbett erreicht, dass sein Fehlen erst am nächsten Morgen auffiel. Wenig später wurde er in Belgien festgenommen.

Auch dort wurden krasse Mängel festgestellt. Die Personalsituation in dem Gefängnis in Tegel sei zum Zeitpunkt der Flucht im Allgemeinen Vollzug "prekär" gewesen, heißt es in einem zweiten Bericht. Zum Zeitpunkt der Flucht sollen statt den 14 vorgesehenen Bediensteten neun im Einsatz gewesen sein. Die Aufsicht über den Hof war einem sogenannten "B-Praktikanten" übertragen, also einem Anwärter für die Laufbahn des Allgemeinen Vollzugsdienstes. Vermutlich hatte der Gefangene außerdem Helfer.

Die Flucht sei gelungen "wegen des fahrlässig unachtsamen Verhaltens des Vollzugspersonals", so der frühere Abteilungsleiter aus dem Justizministerium von Rheinland-Pfalz, Gerhard Meiborg, der den Bericht erstellt hat.

Forderung nach verschärften Sicherheitsvorkehrungen

Der Gutachter empfahl, angesichts des Personalschlüssels etwa die Dauer der Freistunden für die Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Tegel zu überdenken. Außerdem müssten die Sicherheitsvorkehrungen an dem Tor, über welche der Gefangene in dem Lkw geflüchtet ist, verbessert werden.

Er empfahl etwa, erneut zu überprüfen, ob es statt eines Unterbodenscanners nicht viel mehr eine Kontrollgrube brauche. Zügig sollte außerdem die Alarmzentrale umgebaut werden. Der Gutachter regte weiter an, dass alle Fremdfahrzeuge auf dem Gefängnisgelände durch Mitarbeiter begleitet werden sollen und auf den Freistundenhöfen der JVA die Zäune besser gesichert werden.