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Altersarmut

Immer mehr Rentner stehen bei der Tafel an

Demmin / Lesedauer: 3 min

Wer im Berufsleben wenig verdient, hat es doppelt schwer. Denn auch als Rentner steht ihm zumeist nur ein geringer Geldbetrag zur Verfügung. Bei der Tafel in Demmin zeigt sich schon jetzt ein Problem, das sich in Vorpommern künftig noch verschärfen dürfte.
Veröffentlicht:15.10.2019, 08:05

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Altersarmut, davon können auch viele Rentner in Vorpommern ein trauriges Lied anstimmen. Manche von ihnen haben ihr Leben lang gearbeitet, sich die Knochen kaputt geschuftet. Doch am Ende ist für sie der Dank sehr überschaubar. Was bleibt, ist eine geringe Altersrente und ein Leben in Armut. Laut Jeannine Rösler, Linke-Landtagsabgeordnete, werden es immer mehr Senioren, die eine Tafel aufsuchen (müssen) – auch in Demmin.

Nach der Wende waren viele erst mal arbeitslos

Als Ursache für diese Altersarmut sieht die Politikerin auch die gebrochenen Biografien der Menschen. Mit der Wende seien Tausende DDR-Bürger arbeitslos geworden und nicht selten über Jahre hinweg geblieben. Zudem würden viele Vorpommern im Dienstleistungsbereich tätig sein, der im Gegensatz zum Arbeitsplatz in der Industrie weitaus schlechter bezahlt ist. Und hier beginne das Problem. Wer keine oder nur geringe Beiträge einzahle, der habe später auch nur eine kleine Rente. „Selbst der jetzige Mindestlohn reicht nicht aus, damit man später von der Rente leben kann. Zwölf Euro und mehr wären hier geboten“, sagt Rösler. Sie verweist darauf, dass nun immer mehr Menschen ins Rentenalter kommen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten gering verdient haben beziehungsweise lange arbeitslos waren oder es sogar noch sind. In Vorpommern sei die Altersarmut jetzt schon ein Problem, das dadurch an Dynamik noch zunehmen werde.

Als Selbstständiger einen schweren Fehler gemacht

Die Demminer Tafel, die seit etwa 20 Jahren Bedürftige versorgt, wird diese Entwicklung verstärkt zu spüren bekommen – indem die Warteschlange noch mehr zunimmt. Auch bei der jüngsten Lebensmittelausgabe befanden sich unter den Wartenden viele Rentner.Mit 85 Jahren war Horst L. einer der Ältesten in der Reihe. Früher hat er als Schlosser gearbeitet, erzählt er. Zuerst als Angestellter, dann als Selbstständiger. Er bekomme 650 Euro Rente, müsse aber keine Miete zahlen, da er ein Häuschen besitze. Doch dieses, sagt Horst L., wird noch mit Kachelofen beheizt, weil das Geld nicht reicht. „Auf der einen Seite finde ich es nicht richtig, dass ich so wenig Rente erhalte. Ich habe mein ganzes Leben über gearbeitet, habe mich nie arbeitslos gemeldet und nun das.“ Aber er habe einen folgenschweren Fehler gemacht und als Selbstständiger nicht in die Rentenkasse eingezahlt. „Durch die Tafel kann ich etwas erträglicher leben“, sagt der 85-Jährige.

Laut Manuela Rades, Leiterin der Demminer Tafel, kann jeder Rentner mit einem Wohnberechtigungsschein zur Lebensmittelausgabe kommen. „Wir wissen aber auch um die Armut vieler älterer Menschen und machen auch Ausnahmen“, sagt sie.

Die Tafeln in Deutschland verzeichnen nach eigenen Angaben einen starken Kundenzuwachs. Die Zahl der Menschen, die dort etwa regelmäßig gespendete Lebensmittel beziehen, sei nach einer Hochrechnung innerhalb eines Jahres um zehn Prozent auf aktuell 1,65 Millionen Menschen gestiegen, sagte der Vorsitzende des Vereins Tafel Deutschland, Jochen Brühl, vor einigen Wochen. Als "besonders dramatisch" bezeichnete er einen 20-prozentigen Anstieg bei der Gruppe der Senioren. Diese gingen wegen niedriger Renten oder Grundsicherung im Alter zur Tafel. "Altersarmut wird uns in den kommenden Jahren mit einer Wucht überrollen", warnte Brühl.