An der Jarmener Kohnertstraße war am Mittwoch – baulich gesehen – ein durchaus historischer Moment zu beobachten: Am Morgen rückte ein Spezialkran auf dem Hof des Rathauses an, um dessen Turm vom Dach zu hieven.
Mitarbeiter der Firma Medow-Bau vertäuten dafür die rund sechs Meter herausragende Konstruktion am Haken, bevor sie die Säge ansetzten und Stiel für Stiel die acht Verbindungen mit dem Rest des Gebäudes kappten.
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1,1 Tonnen schweben sanft zu Boden
Anschließend schwebte das rund 1,1 Tonnen schwere Teil sanft durch die Luft und auf den Boden. Wo dann sämtliche „Pfosten“ bis an die mit Kupfer beschlagene Haube, die alleine schon an die drei Meter Höhe aufweist, abgeschnitten wurden.
Denn mit diesem Holz wäre nichts mehr anzufangen gewesen, wie der zuständige Bauleiter Ulf Brandenburg im Gespräch mit dem Nordkurier erläuterte. Zumal bei drei davon augenscheinlich schon früher einmal die Füße so durchgefault waren, dass neues Material angestückt werden musste. Inzwischen allerdings haben die Feuchtigkeit und der Zahn der Zeit noch viel mehr und vor allem nachhaltigere Schäden hinterlassen.
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Marodes Holz zerbröselt
Sie stellten sich bei näheren Untersuchungen im Rahmen der gerade laufenden Rathaus-Sanierung und Modernisierung als so gravierend und umfassend heraus, dass selbst die Verankerung im Dachstuhl völlig neu gezimmert werden muss, so der Handwerksmeister. Der genauere Blick in den Turmaufbau und dessen Haube lässt nun für den Rest wenig Besseres erwarten. Nach dem Abnehmen der Deckenverkleidung zeigte sich nämlich, dass das Holz darunter beziehungsweise darüber bereits am Zerbröseln ist, für die nach oben verlaufenden Sparren erahnt Ulf Brandenburg Ähnliches.
„Da oben jedenfalls war keine Reparatur möglich.“ Ob die überhaupt noch Sinn macht, soll vermutlich bei der heutigen Bauberatung geklärt werden. Bei einer Erneuerung der Innenkonstruktion müsste nämlich die Schalung mit runter, auf der die alte kupfernde Ummantelung aufgebracht ist. In dem Fall wäre es wohl angebrachter, das Teil gleich komplett zu erneuern.
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Lärchenholz liegt schon bereit
Das Lärchenholz für dieses Projekt ist bereits in Medow angekommen, je nach Umfang der Arbeiten rechnet die Firma mit drei bis vier Wochen bis zur Fertigstellung. Im Juni soll das Rathaus seinen Aufsatz zurückerhalten, kündigte Bauleiter Brandenburg an. Der gleich mal schaute, ob die Altvorderen in der hohlen Spitze etwas für die Nachwelt hinterlassen haben, dort aber nichts fand. Wohl wissend, dass dieses Gebäude ursprünglich mal als Gasthaus und ohne besondere Aufbauten errichtet worden war.
Erst im Zuge eines Umbaus 1911/12, der dem Behördenstandort einen repräsentativeren Charakter verleihen sollte, entstanden der zur Hauptstraße existierende Erker samt seinem markanten Turm. Zu verdanken den in Jarmen aufgewachsenen Geschwistern Henriette und Christian Burkowski, die nach Amerika ausgewandert und wohl zu einigem Wohlstand gekommen waren. Das Duo besuchte die alte Heimat mehrere Male, übergab dabei auch eine Stiftung für den Ausbau des Rathauses, was besagte Verzierung über dem Mittelrisalit zur Folge hatte.