Circa 11.15 Uhr war es am Dienstagvormittag, da ließ sich die große Kindermeute zwischen dem nördlichen Grundschulpavillon und der benachbarten neuen Kita kaum noch bändigen. Schließlich warteten sie alle auf die offizielle Inbetriebnahme des letztgenannten Gebäudes, das seit Mai 2020 extra für Jarmens Hort und die älteste Vorschulgruppe gebaut wurde, um die jahrelangen Unterbringungsprovisorien für den Nachwuchs zu beenden. Dieses über zwei Millionen Euro teure Domizil steht zwar seit September/Oktober bezugsfertig da, doch die Jungen und Mädchen durften sich wegen ausstehender Begehungen und Genehmigungen bisher maximal die Nasen an den Scheiben plattdrücken, um einen Blick ins Innere zu erhaschen – immer wieder verschob sich der offizielle Starttermin. Da konnten sie es nun gar nicht mehr abwarten, alles zu erkunden.
Fast wie ein Tsunami ergoss sich die Schar nach dem symbolischen Durchschneiden eines Bandes am Eingang in die Flure des Zweigeschossers, mühsam von den Erzieherinnen in die richtigen Bahnen gelenkt. Denn als Erstes hieß es, in der oberen Etage den persönlichen Schrankplatz für Mappen und Sachen in der großen Umkleide zu finden und zu bestücken. Und wer das erledigt hatte, durchpirschte meist umgehend die benachbarten Zimmer, die fast schon luxuriös daherkommen im Vergleich zur alten Unterbringung im Unterrichtspavillon oder dem städtischen Kulturzentrum. Es dauerte nur wenige Augenblicke, da war das erste Spielzeug ausgeräumt, wurde mit Holzklötzern experimentiert und sich verkleidet, die kleine Bühne samt breitem Spiegel ausgiebig in Beschlag genommen.
Für Hortplätze gibt’s schon wieder eine Warteliste
Noch sind zwar nicht alle Zimmer restlos hergerichtet und gibt es noch einiges Inventar zu sortieren, doch den jungen Leuten gefiel das Ganze sichtlich. Genauso wie die sensorgesteuerten Wasserhähne im Sanitärbereich und der Speiseraum im Erdgeschoss mit seinen vielen Fenstern und unterschiedlichen Sitzmöglichkeiten, die moderne Küchenausstattung eingeschlossen. Bis zuletzt war dort gewirbelt und ausprobiert worden, um auch die Essenausgabe gleich an diesem ersten Tag im neuen Domizil meistern zu können.
Genau 88 Hortplätze sieht die Betriebsgenehmigung für die Kita in Trägerschaft des Internationalen Bundes vor, erläuterte Leiterin Martina Kleeberg im Gespräch mit dem Nordkurier. Dieses Limit ist nach ihren Aussagen komplett ausgeschöpft, es existiere bereits eine Warteliste. Sprich genaugenommen reicht das neue Gebäude an der Rosenstraße gar nicht mehr für den Bedarf aus. Es dürfte also längst nicht jede Familie einen Platz für ihre Schützlinge erhalten. Schließlich sollen in der nächsten Woche auch die 18 künftigen Abc-Schützen aus der Kindereinrichtung am Müssentiner Weg an diesen Standort wechseln – für diese Altersgruppe sind bis zu 30 Plätze angedacht.
Kindern fallen sofort einige Kritikpunkte auf
Bei aller Freude über diesen ersten kommunalen Neubau Jarmens seit fast vier Jahrzehnten fielen den Nutzern allerdings umgehend einige Kritikpunkte auf, obwohl die Planung für diese Investition ja bereits Mitte des vorherigen Jahrzehnts angeschoben wurde. Und damit ist nicht gemeint, dass die Steppkes gestern auf Testfahrten mit dem (abgeschlossenen) Fahrstuhl verzichten mussten, den es sonst in der Peenestadt bisher nur in für Senioren und Pflegebedürftige reservierten Einrichtungen gibt. Oder dass der schöne neue Außenspielplatz immer noch als Sperrzone gilt, weil Sicherheitsbeanstandungen nicht ausgeräumt sind. Vielmehr stellten die älteren Kinder fest, dass bei einigen Details innerhalb des Hauses anscheinend wenig an die Wachstumsunterschiede gedacht worden ist, die nun mal von der ersten bis zur vierten Klasse und selbst innerhalb der einzelnen Altersgruppen existieren.
Das reicht von den Toiletten bis zu den Waschbecken, die im Obergeschoss alle eine Einheitshöhe aufweisen, die einigen Jungen und Mädchen deutlich zu niedrig ist. Gleiches gilt für die Garderobe, in der sich Schuhe jener Ausmaße, wie sie manche Grundschüler tragen, gar nicht im Guten an dem dafür vorgesehenen Platz verstauen lassen. Und sollte der gläserne Hustenschutz an der Essensausgabe tatsächlich wie woanders üblich gleich als Abstellfläche für die befüllten Teller gedacht sein, ist der definitiv für fast alle zu hoch – weil auf Erwachsenenmaß. Hinzu kommt, dass unmittelbar im Thekenbereich keinerlei Wasserhahn existiert, das Nass müsste vom anderen Ende des Speisesaals oder einem Nebenraum geholt werden.
Haus soll Öffentlichkeit noch vorgestellt werden
Probleme, die auch dem neuen Bürgermeister André Werner, der sich den Besichtigungsspaß des Nachwuchses unbedingt anschauen wollte, nicht gerade schmeckten. Zumal schon an anderen Stellen nachgebessert werden musste, wie etwa den (fehlenden) Trennwänden an den Pissoirs der Jungs. Kaum noch gerade biegen lässt sich hingegen wohl der Umstand, dass die Hortkinder zu jeder Jahreszeit zuerst ins Obergeschoss zur Umkleide müssen, egal ob sie dabei mit ihren Straßenschuhen weitläufig den Dreck verteilen. Irgendwie praxisfern, befand nicht nur der Rathauschef.
Sein Bestreben ist, das Haus zusammen mit dem Internationalen Bund einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, wenn dies der Verlauf der Corona-Pandemie zulässt. Momentan nämlich können sich selbst die Familienangehörigen alles nur beschreiben lassen, weil sie ihre Kinder wegen der Infektionsschutzbestimmungen vor der Eingangstür in Empfang nehmen müssen.