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Holzwurm

Schädlingsbekämpfer sollen Demmins Pracht-Orgel retten

Demmin / Lesedauer: 3 min

Die Buchholz-Grüneberg-Orgel in Demmin gilt als absolutes Prachtexemplar von historischem Wert. Doch der Holzwurm hat das kostbare Instrument angebohrt.
Veröffentlicht:08.01.2019, 07:40
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„Wir gehen auf Nummer sicher“, sagt Gregor Knak und schlüpft in einen weißen Schutzanzug. Mit Schutzmaske und einem Pinsel bewaffnet steigt der 40-jährige Restaurierer seitlich in das Orgelgehäuse und streicht vorsichtig wurmstichige Stellen am Blasebalg mit Schädlingsbekämpfungsmittel ein. „Hier ist viel Holzwurm drin.“ Seit Montag haben Knak und sein Kollege Uwe Schefferski eine besondere „Mission“: Sie sollen die Buchholz-Grüneberg-Orgel in der Demminer Kirche St. Bartholomaei – eine der größten Orgeln in Vorpommern – vor der Zerstörung durch Holzwürmer retten.

Die riesige Orgel mit rund 4000 Pfeifen wurde 1819 vom Berliner Baumeister Simon Buchholz (1758-1825) in Demmin erbaut und 1867 vom Stettiner Baumeister Barnim Grüneberg (1828-1907) stark erweitert. Sie gilt nach Angaben der Demminer Stadtkirchengemeinde inzwischen als größte in Deutschland erhaltene Orgel des Stettiner Orgelbauers Grüneberg. „Das ist schon ein besonders großes und bedeutsames Instrument“, schätzt auch der Leiter des Mecklenburgischen Orgelmuseums, Friedrich Drese, in Malchow ein.

Larven haben sich im heißen Sommer schlagartig vermehrt

Die Orgel wurden eigentlich von 1998 bis 2007 bereits für rund 300 000 Euro saniert. Die Larven des Gemeinen Nagekäfers (Anobium punctatum) sind aber erst vor etwa zwei Jahren auf der Orgelempore der riesigen Demminer Kirche entdeckt worden, wie Kantor Thomas Beck erklärt. Im vergangenen, heißen Jahr hätten sich die Larven dann schlagartig vermehrt, jetzt sei auch schon der Spieltisch befallen. Für Orgeln war das heiße Jahr 2018 ohnehin kein gutes.

„Solche Holzwürmer halten sich gern in kühlen, feuchten Räumen auf, wie sie in Kirchen zu finden sind“, lautet die Erfahrung von Uwe Schefferski. Der 57-Jährige restauriert schon seit 26 Jahren von solchen Würmern befallene Holzmöbel, auch mehrere Orgeln haben die Grapzower mit der klaren Flüssigkeit schon von den Insekten „gereinigt.“

Auch Orgen in Hohen Wangelin und Jabel betroffen

Als Erstes werden die betroffenen Hölzer der Orgelempore und des Gehäuses mit dem speziellen Schädlingsbekämpfungsmittel gestrichen oder eingesprüht. Das dauert etwa zwei Wochen. Das lässt man einwirken und schaut dann, wo noch Holzmehl auftaucht und muss dort erneut weiter behandeln. Allein das könne mehrere Monate dauern, sagen die Fachleute. Für die zunächst etwa 9000 Euro teure Wurmbekämpfung an der Orgel stellt das Land bereits Geld zur Verfügung, doch dann muss es weitergehen. „Auch das Gestühl ist befallen“, erläutert Pastor Martin Wiesenberg. Hier sei ebenfalls ein Förderantrag gestellt, der einen Umfang von etwa 30 000 Euro hat.

Die gesamte Holzwurmbekämpfung in der Kirche werde wohl mindestens ein Jahr dauern, schätzt Schefferski ein. Bei anderen Orgeln und Kirchen werden je nach Stärke des Befalls eigentlich erst die Pfeifen ausgebaut, die gesamte Kirche abgedeckt und dann alles zusammen begast, erläutert Orgelexperte Drese. So sei es gerade in Hohen Wangelin und Jabel (Mecklenburgische Seenplatte) passiert. „An manche Stellen kommt man nicht ran, wenn die Pfeifen noch drin sind.“ Um ganz sicherzugehen, könne man danach noch einmal einzelne Stellen per Pinsel oder Spritzflasche „nachbehandeln und imprägnieren“.

Wenn’s nicht klappt, muss die Orgel eingehüllt werden

In Demmin sollen Pinsel und Sprühgerät zunächst reichen. „Wir gehen nach dem Minimalprinzip vor“, nennen es Knak und Schefferski. Das Einhüllen wäre auch schwierig. Die rund 2000 Mitglieder zählende Kirchengemeinde nutzt im Winter eine sogenannte Winterkirche mit etwa 100 Plätzen. „Wir hoffen, dass wir dann bald wieder in das große Kirchenschiff dürfen“, sagt der Kantor. Mehr als 800 Besucher haben dort Platz.

Grüneberg gilt bis heute unter Fachleuten als einer der bedeutendsten Orgelbauer seiner Zeit. So stammt unter anderem die Orgel in der Dreifaltigkeitskirche im lettischen Libau aus seiner Werkstatt, die mit 131 Registern auf vier Manualen und Pedal als größte manuell bedienbare Orgel der Welt gilt.