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Leistenow

Um die Wassermühle drehen sich noch die Erinnerungen

Leistenow / Lesedauer: 4 min

VonKerstin PöllerEtwas abseits der Landesstraße 271 liegt Leistenow. Ein stiller Ort, in dem es viel zu erzählen gibt.Leistenow.Störche gab es schon immer ...
Veröffentlicht:29.05.2013, 02:47

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VonKerstin Pöller

Etwas abseits der Landesstraße 271 liegt Leistenow. Ein stiller Ort, in dem es viel zu erzählen gibt.

Leistenow.Störche gab es schon immer in Leistenow. Eckhard Krüger und seine Mutter Waltraut beobachten sie seit den 1970er-Jahren. „Erst brüteten sie auf einem alten Stall, später auf dem stillgelegten Turm der Brennerei.“ Krügers Haus steht in Sichtweite des Turmes, neben den Ställen der beiden Tierarten, die über viele Jahre das Ortsbild prägten: Schafe und Pferde. „Der letzte Schäfer war Hermann Kessel“, erzählt der Leistenower. Erst in den 60er-Jahren wurde der große Schafstall gebaut. Heute ist er zum Teil ein Wohnhaus – das Domizil von Susanne Garz, Landwirt Sven Chrzanowski und ihrer Tochter Lia-Sophie. Die Dreijährige redet zwar nicht mit jedem, aber ihr Pony Luna hat sie unheimlich lieb. „Früher gab es hier einen großen Turnierplatz mit Richterturm, betreut hat alles der alte Herr Krüger“, erinnert sich Susanne Garz. Die junge Frau ist in Leistenow aufgewachsen, ihre Mutter, Annegret Constien, auch. Und deren Mutter, Erika Michael, fast 80, gehört neben Lieselotte Kochalsky, Ilse Döbbert, Waltraut Krüger und Joachim Stuth inzwischen zu den „Urgesteinen“ des Ortes.
In dritter Generation wohnt Erika Michael in der Wassermühle – rund 800 Meter weg vom Dorf am kleinen Augraben. Während sie für den Nachmittagstreff der Familie Waffeln bäckt, kommt die Rentnerin ins Erzählen: „Wann hier die erste Wassermühle stand, weiß man nicht so genau. Als 1698 die schwedische Landerfassung stattfand, wurde jedenfalls auch die Leistenower Mühle eingetragen. Sie brannte 1868 ab, wurde wieder aufgebaut und durch eine Ölmühle ergänzt, die mit zwei Wasserrädern arbeitete. Die wurden 1909 durch eine Turbine ersetzt, die bis 1975 die Antriebe der Mühle in Bewegung hielt. Dann übernahmen Elektromotoren diese Arbeit.“
Von 1917 bis 1944 arbeitete ihr Großvater Hermann Millow hier, Vater Hans Millow übernahm den Betrieb. „Damals, 1960, hat er als selbstständiger Müllermeister Mehl gemahlen. Drei Pferde und einen Lkw hatten wir.“ Später bekam er aber kein Kontingent mehr. Seine einzige Chance: Ein Mischfutterwerk für die LPG. Das lief gut. Bis zu 70 Tonnen Futter seien damals täglich in der Siloanlage abgefüllt worden. „1975 übernahm ich die Mühle. Wir haben sogar nach der Wende noch schwarze Zahlen geschrieben“, erinnert sie sich. Aber 1991 sei alles kaputt gegangen. Die LPG musste die Maschinen ausbauen.
Erika Michael füllt eine Kelle Teig ins Waffeleisen. „Mein Sohn Hans-Hermann Millow, der damals in einer Neubrandenburger Industriebaufirma gearbeitet hat, kam mit seiner Frau Bärbel nach Leistenow zurück, sie bauten sich die obere Etage aus und machten sich mit einer Autovermietung selbstständig.“
Auf dem kopfsteingepflasterten und mit Blumen geschmückten Mühlenhof ist Ruhe eingekehrt. Jagdterrier Anka begrüßt schwanzwedelnd gerade Urenkelin Anna (7) und ihren Vater, die mit dem Auto vorfahren. Erika Michael schaut aus der Tür: „Um halb 4 gibt es Kaffee, magst du mir beim Waffeln backen helfen?“ Anna möchte, aber erst will sie der Besucherin noch die neue Fischtreppe zeigen, die hinter dem Haus vor drei Jahren für die seltenen Neunaugen im
Augraben gebaut wurde.
Mit der Fischtreppe ist die Wassertiefe für ein Mühlrad unterschritten. Das Stück Mauerwerk, aus dem die Welle für das große Holzrad schaute, ist verputzt. „Eigentlich schade. Man hätte versuchen sollen, den Betrieb zu erhalten“, sagt einer der jungen Männer der Familie.
Kaffeezeit. Es duftet nach Erika Michaels Waffeln. „Ich bin einfach so froh, dass die Jugend ins Dorf zurück kommt“, sagt sie. Viele Kinder seien in ihre Elternhäuser gezogen, alles ist saniert, mit Liebe gepflegt. Eine alte Allee säumt die Kopfsteinpflasterstraße. „Die Straße. Ja. Im Dorf ist es okay. Aber die Zufahrt ab Utzedel – es wurde schon zweimal für den Ausbau dieser Kreisstraße demonstriert“, erzählt die Rentnerin und wird sehr energisch: „Man ist hier angewiesen aufs Auto: Zum Einkaufen, zum Arzt, zum Kindergarten – und immer über diesen Huckeldamm!“