StartseiteRegionalDemminWarum ein Vorort von Paris in Vorpommern liegt

Dorfgeschichten

Warum ein Vorort von Paris in Vorpommern liegt

Fouquettin / Lesedauer: 6 min

Es gibt schon viele außergewöhnliche Ortsnamen in unserer Region. Fouquettin zum Beispiel. Wer da näher nachfragt, dem kann es passieren, dass er an der Nase herumgeführt wird.
Veröffentlicht:16.10.2021, 15:53

Artikel teilen:

Es gibt Orte in Vorpommern*, da fährt man einfach durch, ohne groß Notiz von ihnen zu nehmen. Besonders unbeachtet bleiben Dörfer, die weder eine Kirche, noch ein historisches Gebäude, einen schönen Dorfteich oder sonstiges Aufregendes vorzuweisen haben. Zwischen Wildberg und Gädebehn liegt genau so ein Dorf, trotzdem hat es etwas Besonderes, das einen neugierig macht.

Es ist das Ortsschild, auf dem Fouquettin steht. Dieser für viele unaussprechliche Name bleibt dann doch nach mehrmaligem Durchfahren in Erinnerung. Und plötzlich fährt man langsamer und aufmerksamer durch das Dorf und entdeckt so die kleinen Sehenswürdigkeiten, die es so zu bieten hat.

Eine davon sind die Keramiken von Christa Hahn (67), die hier mit ihrem Mann Tilo wohnt. Einzelne Keramikfiguren hat sie direkt an ihrem Zaun festgeschraubt. Andere stehen in dem weiten Vorgarten, der zum Haus auf der Anhöhe führt. „Angefangen damit habe ich vor 16 Jahren mit einem Keramikkurs in Kalübbe. Noch heute treffen wir uns dort regelmäßig, aber ich betreibe das nur hobbymäßig“, erklärt Christa Hahn. Dafür sind aber ihre Skulpturen sehr professionell.

49 Jahre ist das Ehepaar bereits verheiratet. 1999 zog es aus Neubrandenburg nach Fouquettin. Hier leben die Hahns jetzt mit ihren Hunden, das sind die Deutsch-Drahthaar-Hündin Polly sowie den beiden Dackel Alma und Kalle. Keramiken sind für Tilo Haase nicht so richtig sein Ding. Er geht lieber zur Jagd oder fertigt Vogelhäuschen an. An einer Hauswand kann man seine Arbeit bestaunen. Keines gleicht dem anderen. Sie unterscheiden sich alle in Form und Farbe.

Wie nun aussprechen? Fockettin, Focketön?

Eine Frage indes bleibt, wie spricht man eigentlich Fouquettin aus? „Der Name kommt aus dem Französischen, und der Ort wurde nach dem General von Fouqué, einem Freund von König Friedrich II., benannt. Wir sagen Fockettin, wenn man es Französisch aussprechen wollte, dann muss man Focketön sagen“, antwortet Tilo Haase.

Aufmerksam auf das Dorf mit dem französischen Namen sind sie durch ihren Nachbarn geworden, mit dem sie befreundet sind. Als dieser hörte, dass das Ehepaar aufs Land ziehen möchte, empfahl er ihnen ihr heutiges Grundstück. Immer wieder werden sie auf den Ortsnamen angesprochen. So mancher fragt sich, wo denn Fouquettin liegen möge. „Die Antwort hinter Wildberg ist ziemlich eindeutig. Aber manchmal scherze ich und antworte, Fouquettin sei ein Vorort von Paris“, sagt Tilo Haase mit einem Lächeln.

Großer Hof als Familientreffpunkt

Andreas Greeck (56) wohnt seit seiner Geburt in Fouquettin. Hier lebt er in einem Dreigenerationenhaushalt mit seiner Mutter Sigrid, seiner Frau Beate sowie seinen Kindern Jana und Tina. Aber nicht nur das, fast das halbe Dorf gehört zu seiner Verwandtschaft. So ist Andreas Greeck mit insgesamt 27 Dorfbewohnern verwandt. Nach Feierabend und am Wochenende wird sein großer Hof oft zum Treffpunkt für die große Familie. Er selber arbeitet in der Landwirtschaft. Gerade weil er so oft auf den Dorfnamen angesprochen wurde, hat er sich mit der Herkunft des Namens beschäftigt. Ihn zu schreiben, damit hatte Greeck keine Probleme, denn er ist ja mit Fouquettin aufgewachsen. Für ihn ist das Leben hier perfekt, ein Umzug kam für ihn nie in Frage. „Man hat es nicht weit bis Neubrandenburg, wohin man zum Einkaufen fahren kann. Hier in Fouquettin lebt man schön ruhig und der Kastorfer See ist auch nicht weit“, schildert Andreas Greeck.

Wie es aussieht, wird sich an der großen Verwandtschaft im Dorf auch nichts ändern. So baut gerade Tochter Tina (22) gleich neben ihrem Elternhaus zusammen mit ihrem Freund Marvin Laatz (24) ein eigenes Haus. Für Tina Greeck hat die Wahl des Baugrundstückes ganz praktische Gründe. „Wenn wir dann Kinder bekommen, wohnen die Großeltern gleich nebenan. So kann ich zum Beispiel allein zum Einkaufen in die Stadt fahren, ohne dass es Schwierigkeiten mit den Kindern gibt“, sagt Tina Greeck.

Andreas und Beate Greeck haben noch eine weitere Tochter. Diese heißt Jana (25) und plant, ihr späteres Wohnhaus ebenfalls neben dem Elternhaus zu bauen. Auffällig ist, dass die beiden Töchter Jana und Tina ähnlich klingende kurze Vornamen haben. „Fouquettin kann ja ein Fremder kaum richtig aussprechen, geschweige denn richtig schreiben. Auch unser Familienname Greeck wird von Fremden sehr oft falsch geschrieben. Bei diesen schwierigen Namen wollten wir unseren Töchtern wenigstens leichte Vornamen geben, um nicht alles noch komplizierter zu machen“, sagt Beate Greeck mit einem Lächeln.

Kritik an zu klein gebauter Kanalisation

In Fouquettin gibt es aber nicht nur einen Dreigenerationenhaushalt, den hat auch der Schlosser Fred Eggebrecht (41). Dieser lebt zusammen mit seiner Lebenspartnerin Isabell, den beiden Kindern Leo und Oskar sowie seinen Eltern Erika und Heinz. Als Fred ein Jahr alt war, da zogen seine Eltern in das Dorf mit dem französischen Namen. An dem Dorf schätzt er die gute Dorfgemeinschaft, die Ruhe und die Natur in der Umgebung. Vor allem den Kastorfer See, den er schon aus seiner Kindheit kennt. Aber gibt es denn hier auch etwas, das vielleicht nicht so toll ist? „Die Kopfsteinpflasterstraße kann schon so bleiben, das stört mich nicht weiter. Aber die Kanalisation ist einfach zu klein gebaut worden. Wenn bei einem starken Regen dann das Wasser oben vom Gehöft den Abhang herunterfließt, dann kommt es schon mal zu Überschwemmungen. Davon war ich auch schon betroffen“, schildert Fred Eggebrecht.

Es gibt wohl kaum jemanden in Fouquettin, der keine Anekdoten über den französischen Ortsnamen erzählen kann. Eggebrecht bildet da keine Ausnahme. Einige Leute googelten Fouquettin und landeten dann in Frankreich, wo es ebenfalls ein Dorf mit solch einem Namen gibt. „Manchmal kommt es auch mir über die Lippen, wenn es angebracht ist, dass Fouquettin ein Vorort von Paris ist“, gesteht Fred Eggebrecht.

*Da es um Geschichte geht und der Ort schon sehr lange so heißt, ist hier das Vorpommern in seinen historischen Grenzen gemeint und nicht das in den aktuellen Landkreisgrenzen.