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Windkraft

Wie gefährlich sind die Rotoren im Demminer Land für Greifvögel?

Bentzin / Lesedauer: 3 min

Der Seeadler, der kürzlich verletzt in der Nähe eines Windrades aufgefunden wurde, ist kein Einzelfall. Besonders Greifvögel sind bedroht. Dabei gibt es Ideen, wie das Risiko vermindert werden kann.
Veröffentlicht:11.11.2020, 07:51

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Ganz schön tragisch findet der Vorsitzende der BUND-Ortsgruppe Ostufer Kummerower See Erich Zühlke, was vorige Woche bei Bentzin passiert ist: In der Nähe eines Windrades hat ein Landwirt einen schwer verletzten Seeadler gefunden. Große Teile des rechten Flügels fehlten, am linken hatte er einen offenen Bruch, eine Kralle war abgeschlagen. Für die Tierrettung, die das Adlerweibchen schließlich von seinen Qualen erlöste, lag die Vermutung nahe, dass ein Zusammenstoß mit der relativ neuen Anlage die Verletzungen verursacht hatte.

55 tote Seeadler in diesem Jahr

Es war kein Einzelfall. 55 tote Seeadler an Windenergieanlagen dokumentiert die Staatliche Vogelschutzwarte des Landesamtes für Umwelt Brandenburg, das hierzu seit 2002 deutschlandweite Zahlen erhebt, mit Stand 25. September 2020 für Mecklenburg-Vorpommern. Drei davon wurden im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, unter anderem in Beggerow, gefunden, sechs in Vorpommern-Greifswald. Dabei weist das Landesamt ausdrücklich darauf hin, dass die Anzahl der Fundmeldungen lediglich die „Erfassungsintensität und Meldebereitschaft widerspiegelt, nicht jedoch das Ausmaß der Problemlage in den einzelnen Bundesländern verdeutlicht.“

Insgesamt geht der NABU von über 100 000 von Windkraftanlagen getöteten Vögeln jährlich aus, mit steigender Tendenz. Der größte Feind der Vögel sind die Windmühlen dabei allerdings nicht. So fordern Stromleitungen, Straßen- und Bahnverkehr, Hauskatzen und besonders Glasscheiben nach Angaben des Naturschutzbundes mehr Opfer – letztere laut Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten sogar schätzungsweise 100 bis 115 Millionen pro Jahr.

In absoluten Zahlen gesehen seien es also vergleichsweise wenige Vögel, die durch Windkraftanlagen ums Leben kommen, heißt es vom NABU. Betroffen seien hier jedoch vor allem größere Vogelarten, insbesondere Greifvögel. „Für einige dieser Arten können Windkraftanlagen daher bereits heute bestandswirksame Auswirkungen haben“, lautet die Einschätzung des Naturschutzbundes. Für die Masse der meist kleineren und häufigen aber abnehmenden Vogelarten seien Windkraftanlagen jedoch nicht relevant.

Naturschützer wollen genauere Standortprüfung

Fest steht auch für Erich Zühlke trotzdem: „Wenn es die Windkraftanlagen nicht gäbe, gäbe es auch diese Todesfälle nicht.“ Das sei traurig, andererseits müsse der Strom irgendwo herkommen. Etwas Risikobegrenzung bietet das Recht. So müsse der Umweltschutz bei der Planung von Windkraftanlagen beachtet werden. „Es wird berücksichtigt, dass die Windräder nicht in der Nähe von Brutplätzen aufgebaut werden“, so Zühlke. Im Schutzgebiet seiner Ortsgruppe gebe es keine Windkraftanlagen, dafür aber Seeadler, Milane, Bussarde und Falken.

Eine Analyse in Mecklenburg-Vorpommern legt nahe, noch einen Schritt weiterzugehen und bei besonders empfindlichen Arten zusätzlich zur Brutplatzdichte auch die Habitatqualität heranzuziehen. Auch sie sei den Ergebnissen zufolge nämlich ein Prädikator für Kollisionen. Im Klartext: Es sollte bei der Standortwahl nicht nur darum gehen, wo die Greifvögel brüten, sondern auch, wo sie etwa zur Nahrungssuche häufig unterwegs sind.

Die Lösungsansätze der Forschung gehen über die Frage, wo Windkraftanlagen möglichst konfliktfrei aufgestellt werden können, noch hinaus: „Das geht weiter bis hin zu technischen Lösungen, dass sich Anlagen zu bestimmten Tages- oder Jahreszeiten abschalten“, nennt Thomas Frey vom Brandenburgischen Landesamt für Umwelt ein Beispiel.