StartseiteRegionalDemmin▶ Windkraft spaltet Daberkow und seine Gemeindevertretung

Neue Planungsidee

▶ Windkraft spaltet Daberkow und seine Gemeindevertretung

Daberkow / Lesedauer: 5 min

Steht der Gemeinde Daberkow die nächste Revolte in Sachen Stromspargel bevor? Und verliert der neue Bürgermeister damit rund neun Monaten im Amt den Rückhalt in der eigenen Wählergemeinschaft? Diese Fragen stehen nach einer turbulenten Bauausschuss-Sitzung und einer Einwohnerversammlung im Raum.
Veröffentlicht:03.03.2020, 21:53

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Die Tagesordnung der Daberkower Abgeordneten-Beratung am morgigen Donnerstag um 18.30 Uhr im Gutshaus wirkt eher unscheinbar. Abgesehen vielleicht vom Beschluss zum Haushalt 2020, der die Weichen für das weitere Wirtschaften stellt. Doch am Ende des öffentlichen Teiles findet sich ein Punkt, der lediglich mit „Rücknahme des Beschlusses 014-04/2017“ betitelt ist, aber buchstäblich für jede Menge Wind in der Kommune und einen Sturm der Entrüstung bei zahlreichen Bürgern sorgt.

Denn dahinter versteckt sich die mögliche Abkehr von einer durch breite Bevölkerungskreise getragenen Lokalpolitik gegen mehr Windkraftanlagen in der Region. Initiiert vom Bauausschuss der im Mai neu gewählten Volksvertretung.

Ablehnung wackelt

Deren Vorgängerin wollte im November 2017 sämtlichen Bestrebungen von Altbürgermeister Gerd-Heinrich Kröchert und anderen Interessenten einen Riegel vorschieben, das schon mehr als ein Jahrzehnt erhoffte neue Stromspargel-Beet nordöstlich des Hauptdorfes in Richtung Völschow doch irgendwie bestellen zu können. Bis dahin galt ein Anfang 2005 mit großer Mehrheit gefasster Beschluss für diesen Windpark. Doch der Wind im Volk drehte sich angesichts der Mengen von Rotorentürmen in Vorpommern zusehends und gipfelte im November vor drei Jahren in einer mit 3:2 Stimmen verabschiedeten offiziellen Kehrtwende Daberkows: „Die Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet wird abgelehnt“, lautete der Beschluss.

Doch weder die örtlichen Gegner dieser Entscheidung noch die Windkraft-Branche wollen offenbar aufgeben: Im vergangenen Herbst teilte die Firma BayWa r.e. Wind GmbH dem neuen Bürgermeister Olaf Hecht ihre „Planungsidee“ für das schon einmal ins Blickfeld geratene Areal westlich der L 35 nahe dem Ortsteil Hedwigshof mit. Zirka 105 Hektar soll diese Potenzialfläche umfassen und Platz für bis zu sieben Anlagen mit einer Gesamthöhe bis 240 Meter bieten. Die größeren Grundstückseigentümer würden dieses Ansinnen unterschützen, bekam das Dorfoberhaupt schwarz auf weiß.

Persönliche Vorteilsnahme?

Einher ging die Offerte mit einer Bauausschusssitzung, deren Ordnungsmäßigkeit Hecht öffentlich infrage stellte. Nicht nur, weil er selbst keine Einladung erhalten hatte, sondern vor allem, weil den Schilderungen zufolge dort sein Amtsvorgänger intensiv das Wort führte, obwohl er keinerlei politisches Mandat mehr bekleidet. Aber eben wie sein Sohn, der heutige Vizebürgermeister Thomas Kröchert, persönliche Interessen an so einem Windpark hat. Letztlich stimmte jener genau wie die Abgeordneten Horst Misterek und Raik Mulsow für eine Initiative zur Aufhebung des 2017er-Beschlusses, während die berufenen Bürger Thomas Roßlau und Michael Pfister dagegen votierten.

Das Pikante und für den Gemeindechef besonders Prekäre an diesem Ergebnis ist, dass bis auf Mulsow sämtliche Genannten seinem Wählerbündnis „Wir für Daberkow“ angehören. Welches bei den Kommunalwahlen fast 70 Prozent der Stimmen und damit fünf der sieben Abgeordneten-Mandate holte. Wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil es offiziell für den Kampf gegen noch mehr Windkraft in der Region stand.

Deshalb wird in diesen Tagen innerhalb der betroffenen Dörfer häufig von Wahlbetrug, Hinterlist, abgekartetem Spiel und persönlicher Vorteilsnahme auf Kosten der Allgemeinheit gesprochen. Denn viele halten das Argument des Bauausschusses, dass sich die Gemeinde sonst eine große Chance vergibt, zusätzliches Geld in die öffentliche Kasse zu spülen, für vorgeschoben. Zumal mittlerweile allgemein bekannt ist, dass die hierzulande erzeugte Windenergie längst die Abnahme- und Weiterleitungsmöglichkeiten sprengt und dafür sorgt, dass die Vorpommern mit den höchsten Strompreis in Deutschland zahlen. Stattdessen befürchten Kritiker, dass es die persönliche Gier nach einem guten Geschäft ist, die die Initiatoren antreibt.

„Beschiss am Volk” vorgeworfen

Inzwischen hätten mehr als 200 Einwohner eine eiligst auf die Beine gestellte Unterschriftensammlung gegen diese angestrebte neuerliche Kehrtwende in Daberkow unterschrieben, berichtete die Abgeordnete und Frau des Bürgermeisters, Felicitas Hecht, bei einer am Montagabend im Gutshaus anberaumten Einwohnerversammlung. Mehr als 70 Leute haarten dort teils stehend aus, um sich aktuelle Informationen einzuholen und ihre Meinung zu äußern, erlebten aber eine ziemlich einseitige Veranstaltung.

Denn die Firma BayWa sagte die Anreise aus Hamburg mittags kurzfristig bei Olaf Hecht ab – mit Verweis auf die Corona-Virus-Gefahren durch Menschenansammlungen. Für die meisten im Saal wirkte diese Begründung eher wie eine willkommene Ausrede. Und für jene ebenfalls erschienenen Gemeindevertreter, die als Befürworter des Windparks gelten, war sie der offizielle Anlass, umgehend wieder den Heimweg anzutreten: Thomas Kröchert, Horst Misterek und der zweite Vizebürgermeister Jens Michael von der Wählergemeinschaft „Für die Gemeinde Daberkow“ sahen ihren Worten dem Nordkurier gegenüber zufolge keinen Sinn mehr in der Veranstaltung. Weil es durch das Fehlen des Unternehmens an einer fundierten zweiten Meinung mangele, um sich ein ordentliches Bild machen zu können.

Für das Gros der Teilnehmer stellte dieser Rückzug die Verweigerung eines demokratischen Meinungsbildungsprozesses und Dialoges mit den eigenen Wählern dar, es war von „Frechheit“, „Entsetzen“ und „Beschiss am Volk“ die Rede. Mancher forderte sogar lautstark die Niederlegung des Abgeordneten-Mandates ein. Schließlich dürfen sich die Einwohner in der Fragestunde am morgigen Donnerstag nicht konkret zu den Windpark-Ideen äußern, weil das Thema ja offiziell auf der Tagesordnung steht und die Kommunalverfassung dies deshalb untersagt. Doch erscheinen zu dieser Runde dürfte deshalb trotzdem eine nicht unbeträchtliche Schar.