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Wirklich nachhaltig?

Shift Phone sagt "schmutzigen" Smartphones den Kampf an

Wabern / Lesedauer: 4 min

Die schädlichen Produktionsauswirkungen von Smartphones sind immens. Doch es gibt Unternehmen, die endlich einen nachhaltigeren Weg einschlagen – wie Shift Phone aus Deutschland.
Veröffentlicht:12.09.2018, 11:03

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Kinderarbeit, vergiftetes Wasser, abgeholzte Urwälder: Wenn man an Smartphones denkt, sind das nicht die ersten Bilder, die einem in den Kopf kommen. Doch dies sind nicht nur Begleiterscheinungen. Darauf fußt die Produktion der meisten Smartphones. Kritiker fordern deshalb eine nachhaltige Produktion.

Die Brüder Carsten und Samuel Waldeck wollten dieser Forderung nachkommen: Sie haben im nordhessischen Dorf Falkenberg die Firma „Shift” gegründet und verkauften im Juli 2018 das erste sogenannte Shift Phone – Mobiltelefone, deren Produktion nachhaltiger als mit konventionellen Methoden ablaufen soll. Allerdings stoßen die Brüder Waldeck in Sachen Nachhaltigkeit auch an eine Grenze, die der weltumspannende Herstellungsprozess beinhaltet.

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Seit dem ersten Verkauf wurden nach Unternehmensangaben 25.000 Geräte produziert. „Die Käufer sind bunt gemischt, aber sie alle recherchierten über bewussten Konsum und sind so auf uns gestoßen”, erzählt Carsten Waldeck im Gespräch mit dem Nordkurier.

Faire(-re) Arbeitsbedingungen

Die Shift Phones bestehen aus vielen Einzelteilen, sodass man sie nicht nur reparieren, sondern auch mit neuer Technik ausrüsten kann. Die Produktion findet wie bei dem wohl bekanntesten Smartphone – dem Iphone von Apple – in China statt. Dort seien alle Einzelteile vorhanden, sodass die Geräte an einem Ort zusammengebaut und im Ganzen verschickt werden könnten. Unnötiger Verpackungsmüll werde so gespart, sagt Waldeck.

Trotz der Produktion im Ausland stünden die Arbeitsbedingungen denen in Deutschland in nichts nach: Die chinesischen Arbeiter haben laut Waldeck freie Wochenenden, Kranken- und Rentenversicherung und 40 Stunden-Wochen. Um das zu garantieren, fliege er mindestens vier Male im Jahr zu dem Produktionsort.

Mit 555 Euro ist das Erstgerät SHIFT6m im Vergleich zu einem aktuellen Iphone günstig. Der niedrige Preis des fairen Smartphones kommt unter anderem durch den Verzicht auf Werbung zustande. Mittlerweile gibt es auch Gespräche über Großlieferungen. Deshalb wollen die Waldecks ihr Unternehmen ausbauen und weitere Arbeitsplätze in Nordhessen schaffen, aber auch in Nigeria und Neuseeland.

Eine durch und durch faire Herstellung können jedoch weder die Waldecks noch ein anderer Smartphone-Anbieter gewährleisten. Das liegt an einem der kleinsten Bestandteile: Metalle, die seltene Erden genannt werden.

Diese können zwar aus „fairen” Minen geliefert werden. Doch die großen Verarbeitungsbetriebe vermischen gewonnenes Metall aus allen Minen und liefern sie dann erst an Smartphone-Produzenten. Dadurch kann kein Hersteller garantieren, dass all ihre Metalle unter fairen Bedingungen gewonnen worden sind. Deshalb fordern Kritiker mehr Transparenz bei den Produktionswegen von Shift Phones.

Smartphones schlecht für Umwelt und Menschen

In gängigen Smartphones finden sich etwa 30 unterschiedliche Metalle. Einige von diesen werden als „seltene Erden” bezeichnet. Besonders der Abbau der seltenen Erden erweist sich als schädlich für Mensch und Umwelt: Das Metall Coltan beispielsweise wird in Minen im Kongo gewonnen, die im Besitz großer Konzerne sind. In dem von jahrelangen Krieg und Zerstörung gezeichneten Land sind jedoch Warlords und Rebellen an der Macht. Deshalb müssen die Besitzer der Minen häufig Schutzgelder an die Warlords bezahlen, damit das Metall gefördert werden darf. Das Geld wiederum finanziert die Kriege.

Niedriglohn, Kinderarbeit oder lebensgefährliche Arbeitsunfälle sind in den Minen an der Tagesordnung. Das Coltan wird mit gesundheitsschädlichen Chemikalien gefördert, die dann wiederum im Grundwasser landen. Für den Bau von Minen werden ganze Urwälder gerodet. Die Unternehmen scheinen meistens nur an einem schnellen Produktionsweg interessiert.

Viele Hersteller bringen immer schneller neue Modelle auf den Markt. Die Geräte sind kurzlebig, da sich die Macher oft gegen eine Reparaturmöglichkeit sperren. Außerdem gibt es beständig neue technische Verbesserungen. Und das meistens nur für ein schärferes Selfie. Mit dem Versprechen vieler Mobilfunkverträge, dass man mit neuen Modellen versorgt wird, ist es deshalb für viele Menschen in den Industrieländern normal geworden, sich alle zwei Jahre ein neues Smartphone zu kaufen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sagt, dass die Deutschen allein jährlich 24 Millionen Smartphones kaufen, und fordert deshalb eine niedrigere Besteuerung für gebrauchte und nachhaltige Geräte, und ein Recht auf Reparatur.

Viel Elektroschrott

Doch was passiert mit alten Smartphones? Die wandern in den Elektroschrott. Allein im Jahr 2016 gab es laut Internationaler Fernmeldeunion (ITU) weltweit 44,7 Millionen Tonnen Elektroschrott. Der wird aber meistens nicht richtig gesammelt und recycled. Edelmetalle wie Kupfer oder Gold werden deshalb einfach weggeworfen und nicht wiederverwendet. Die größten Mülldeponien für Elektroschrott liegen in afrikanischen Ländern wie Ghana. Zu denen wird der Elektroschrott häufig illegal aus Europa gebracht. Der Kontinent hat deshalb unter der Smartphone-Sucht der Welt am meisten zu leiden.