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Brandbrief von 2000 Medizinern

Ärzte fordern Zuckersteuer wegen Gesundheitsgefahren

Berlin / Lesedauer: 3 min

So etwas wie Sahnetorte zu essen, das ist in manchen Kreisen schon heute verpönt. Gleichzeitig bringen Tausende Deutsche zu viel auf die Waage und leiden unter Folgekrankheiten. Ärzte fordern, dass die Politik einschreiten soll. Wie soll das aussehen?
Veröffentlicht:02.05.2018, 18:21
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Der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen (50) hält Zucker für schädlich, kann aber von einer bestimmten Süßigkeit nur schwer die Finger lassen. „Sie sollten mich nie mit einer Tafel Marzipan-Schokolade alleine in einem Raum lassen, da kann ich für nichts garantieren“, sagte der 50-Jährige. Der Mediziner stellte an diesem Mittwoch eine Initiative von Kinderärzten, Deutscher Diabetes Gesellschaft und Verbraucherschützern vor, die dafür plädiert, dass die Bundesregierung mehr im Kampf gegen Übergewicht, Adipositas und chronische Krankheiten unternimmt.

Sie fordern unter anderem eine Zuckersteuer. Deren Folgen wären erheblich: Die Limo hätte weniger Zucker. In Schulen gäbe es keine Cola-Automaten und auch keinen Hausmeister mit Schokoriegel-Angebot. Im Supermarkt wären Quengelkassen ebenso abgeschafft wie die Werbespots für überzuckerte Kinderprodukte im TV. Und Zutatenlisten von Lebensmitteln könnten Verbraucher ohne Fremdwörterbuch verstehen.

Gegen die Folgeerkrankungen gibt es keine Tablette

Die Forderungen stehen teils schon seit Jahren im Raum, bislang setzt die Bundesregierung aber auf freiwillige Vereinbarungen mit der Lebensmittelindustrie und Programme zur Ernährungsbildung. Auch die Industrie lehnt etwa eine Zuckersteuer als „Symbolpolitik“ ab, krankhaftes Übergewicht hänge von vielen Faktoren ab, zum Beispiel dem Lebensstil.

Und hier ist Ihre Meinung zum Thema Zuckersteuer gefragt:

„Wir haben einfach keine Geduld mehr“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVJK), Thomas Fischbach, in Berlin über die gemeinsame Initiative mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft, der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, der Techniker Krankenkasse und dem AOK Bundesverband. Die Ärzte sähen, dass die Gesundheit der Menschen in Deutschland drastisch leide, so Fischbach. „Bitte machen Sie ernst mit der Prävention von Adipositas, Typ-2-Diabetes und anderen chronischen Krankheiten“, heißt es in dem offenen Brief.

Gegen die Folgeerkrankungen gebe es keine Tablette und keine OP, vorbeugen lasse sich am besten mit Bildung und auch staatlicher Lenkung, sagte der Arzt und TV-Moderator Eckart von Hirschhausen. Er wundere sich, warum man Deutschland bei dem Thema „so einen Eiertanz“ mache – zumal Zucker ein gewisses Suchtpotenzial habe.

Industrie sieht keinen Handlungsbedarf

Keinen Handlungsbedarf sehen hingegen die Hersteller: Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke verweist darauf, dass der Konsum von Erfrischungsgetränken pro Kopf in Deutschland bereits von 125,5 Litern 2013 auf 113,9 Liter 2017 gesunken sei. „Wir als Lebensmittelwirtschaft benötigen keine Belehrungen von Interessensgruppen, weil wir seit Jahren handeln und beispielsweise stetig innovative Rezepturen entwickeln, bestehende optimieren und über Nährwerte und Inhaltsstoffe aufklären“, erklärte der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL. „Wir zeigen Verantwortung und sind dialogbereit.“

BVKJ-Präsident Fischbach konterte: „Wir sind der Überzeugung, dass man nicht die Frösche fragen kann, wenn man den Sumpf trockenlegen will.“